Die Handschellen, in denen die Heldin Sahar Mosayebis eigenwilliger Mischung aus Sport- und Politdrama einen ihrer Schwimmrekorde aufstellt, wirken wie ein Symbol ihrer fundamentalistischen Fesseln. Die sollen nicht nur die entschlossene Protagonistin der sich dicht an den zugrundeliegenden Tatsachen haltende Story davon abhalten, ihrer sportlichen Passion nachzugehen und erst recht, damit in die Öffentlichkeit zu treten. Das unterstreicht die iranische Regisseurin immer wieder in scheinbar beiläufigen Szenen, in denen Frauensport in ihrem Heimatland unterbunden wird.
Nicht nur auf kompetitiver Ebene repräsentiert Elham Asgharis (Taraneh Alidoosti) den Kampf zahlloser Frauen, deren Körper und Charakter überall attackiert werden. Sei es auf offenem Meer, wo Elham von Fundamentalisten mit dem Motorboot überfahren wird, oder in ihrem Heim, wo ihr Ehemann sie fast umbringt. Dass Mosayebi ihm weder Gesicht noch Stimme gibt, definiert ihn als Teil einer misogynen Maschinerie staalicher, sozialer und systemischer Gewalt. Dazu gehören auch Frauen wie Sportministerin Nazar Abadi (Mahtab Keramati).
Sie boykottiert verbissen Asgharis Karriere, obwohl diese ihren Körper unter einer sechs Kilo schweren Badeuniform versteckt. Ob Abadis Motivation karrieristisch, ideologisch oder pragmatisch ist, bleibt nicht die einzige kontextuelle Leerstelle in Tala Motazedis unsicherem Skript. Das beleuchtet weder die materiellen Privilegien, noch die mediale Reichweite und Art ihrer Rekorde, die auch männliche Konkurrenz übertrafen. Selbst ihre Rolle als internationale Ikone sportlicher Selbstbestimmung erschließt sich nur indirekt in einer Inszenierung, die vor allem durch ihre Symbolwirkung überzeugt.
Nachdem ihr letzter Spielfilm die Herausforderungen zweier in Martial Arts antretender Schwestern betrachtet hatte, widmet sich Sahar Mosayebi erneut der (lebens)gefährlichen Position iranischer Sportlerin. Die von realen Begebenheiten inspirierte Story – deren Leinwandadaption im Iran bereits verboten wurde – der Ausdauerschwimmerin Elham Asghari besticht ebenso durch Taraneh Alidoostis nuancierte Darstellung wie ihre schnörkellose Form. Doch die Tendenz zu konstruiertem Kitsch und schematischer Narration untergraben die Dramatik einer Geschichte, die ihre spannendsten Aspekte wohl nicht zufällig ausblendet.
- OT: Orca
- Director: Sahar Mosayebi
- Screenplay: Tala Motazedi
- Country: Iran, Qatar
- Year: 2021
- Running Time: 107 min.
- Cast: Taraneh Alidoosti, Mahtab Keramati, Ayoub Afshar, Arash Aghabeik, Sepideh Alaei, Kazem Ebrahimzadeh Bedayati, Armik Gharibian, Atiyeh Ghobeyshavi, Hamideh Hamidi, Vahid Hood, Fatemeh Hosainzadeh, Masoud Karamati, Ahmad Kazemi, Hafizolah Koohi, Shokoufeh Moosavi, Mahtab Nasirpour
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