Der Plot ist eine augenschmeichelnde Nichtigkeit wie die Titelverformung von Lisa Sees Roman Snow Flower and the Secret Fan. Das namensgebende Accessoire, gleich dem Wayne Wang seinen üppigen Bilderbogen auffächert, kennt die Handlung nicht; nur den Fächer, der im China des 19. Jahrhunderts den Freundschaftsbund zwischen Schneerose (Gianna Jun) und Lilie (Bingbing Li) besiegelt und trennt, um ihn im heutigen Shanghai neu zu schließen. Diesmal zwischen Sophie und Nina, in deren wechselhafter Freundschaft sich jene der beiden Frauen der Vergangenheit spiegelt.
Oder ist die Vergangenheit gar keine? Ist die Zeit, deren Wandel im Gegensatz von hektischer Metropole und ländlichem Historismus eklatant hervorsticht, an der Gesellschaft spurlos vorübergegangen? „Ein kluges Mädchen wie du mit einer glänzenden Zukunft sollte nicht ihre Zeit mit ihr vergeuden“, sagt Sophies koreanische Mutter. Die Klassengrenzen, ungeachtet der sich das Mädchen aus gutem Hause und die ambitionierte Altersgenossin aus einfachen Verhältnissen anfreunden, scheinen in der Moderne noch rigider als in der darin verschachtelten Parallelhandlung. Die klassische Schallplatte, die Sophies Mutter anstelle von Popmusik auflegt, untermalt die Parallele ostentativ. Die Assoziation deutet an, dass der familiäre Konflikt in sozialer Diskriminierung und Traditionalismus wurzelt, die lange nicht überwunden sind.
Vor der drängenden Frage, ob hinter Chinas postmodernen Fassaden gesellschaftlicher Reaktionsmus verweilt, versteckt sich Wangs widersprüchliches Melodrama in feudalen Kulissen. Das Wechselspiel zwischen pittoreskem Historizismus und neumodischem Chic führt die Hohlheit der Inszenierung umso deutlicher vor. Sie fasst den Inhalt der Romanvorlage in jene Rahmenhandlung, die mit einem Anruf an die In New York lebende Nina beginnt. Als Überleitungsmotiv wählt Wang die gebundenen Füße, ein in seiner Komplexität vernachlässigtes Symbol vielfacher Unterdrückung. An den Verstümmelungsfetisch erinnern Nina Ausstellungsobjekte einer Vernissage und ein Manuskript, dass in Sophies spärlichen Besitztümern nur auf sie zu warten scheint.
„Es handelt von Laotong im alten China, aber eigentlich geht es um uns.“ Ach, echt? Wer hätte das gedacht! Überzeichnete Korrelationen verbalisiert die Story gerne zusätzlich, nur um sicherzugehen. Die Charakter sind papieren wie der titelgebende Fächer, auf dessen Falten ein Liebesdrama verborgen steht. Ein solches schlummert in Snow Flowers und Lilies mit einem Laotong-Vertrag geschlossenen Schwesternbund. Er soll freiwilliges Gegenstück zur arrangierten Ehe sein, obwohl die Freundinnen ebenfalls von der Heiratsvermittlerin füreinander bestimmt werden. „Ich wusste, dass meine Liebe zu dir zu groß war“, bekennt sie in einem der zahlreichen Momente, die auf unterdrückte erotische Anziehung zwischen den Hauptfiguren verweisen. Die dramaturgische Scheu vor dem Tabu verrät mehr über soziale Zwänge, als es die weitschweifige Idealisierung ritualisierter Freundschaft als Liebessubstitut vermag: „Dies ist eine Geschichte über wahre Liebe, die nie endet.“ – Weil sie nie beginnen darf.
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