Anlässlich der Premiere von Susanne Rostocks filmischer Hommage Sing Your Song kam Harry Belafonte ins Berliner Kino International zum Podiumsgespräch.
Erzähl von Deinem ersten Besuch in Berlin.
Ich kam 1958, das einzige mal, dass ich in West-Berlin auftrat. Damals gab es keine Mauer. Ich lernte Deutschland durch die Berliner kenne. Es war eine bemerkenswerte Erfahrung. Ich bin dankbar, dass ich lang genug gelebt habe, um diesen Moment zu sehen. Er ermutigt mich, ins Auge zu fassen, mehr Filme zu drehen.
Wäre großartig. Wir hoffen, dass Du bald wieder kommst.
Die Welt befindet sich in einem aufregenden Übergang. Ich werde besonders durch das Format der Dokumentation ermutigt, da ich glaube, es betont nicht nur die cineastische Kunst, sondern bietet die Möglichkeit, in Geschichten zu dringen, die Hollywood nie erzählen zu wollen scheinen.
Vor all dem warst Du in Spielfilmen. Wie kamst Du dorthin?
Meine Karriere als Sänger begann sich abzuzeichnen und die Popularität, die ich erlebte, schien vielen eine Möglichkeit, mich für die Ökonomie des Filmemachens auszubeuten. Ich sah es als meine Gelegenheit, sie fürs Geschichtenerzählen auszubeuten. Also verhandelten wir ununterbrochen. Ich hatte das Glück, einen darbenden Kollegen zu haben, der zur selben Zeit in Amerika Filme machte: Sidney Poitier.
Nie fiel mir etwas so schwer, wie das schriftliche Erzählen einer Geschichte.
Harry Belafonte
Ich werde ihm nicht sagen, dass ihr geklatscht habt! Bevor Sidney und ich anfingen ins amerikanische Kino zu kommen, gab es keine seriöse Historie von Afrikaner und Afroamerikaner in der Filmkultur. Wenn die Leute uns sahen, sahne sie uns meist als minderwertige Kreaturen. Lange Zeit hat das Farbige verfolgt, denn jede Geschichte, zumindest in der Populärkultur, war eine, die unsere Menschlichkeit herabsetzte. Es gab Ausnahmen, aber so wenige, dass man sie kaum mitbekam. Nun mussten Sidney und ich ungeheuer feilschen, keine Filme zu machen, wie sie in der Vergangenheit gemacht wurden. Ein paar mutige weiße Filmemacher entschieden sich für uns einzutreten. Solch eine Person war Otto Preminger.
Was war Dein Ansporn?
Jemand schenkte mir zwei Karten für ein kleines Theater in Harlem. Zum ersten Mal sah ich ein Stück und wollte unbedingt an der Theaterkunst teilhaben. Die wichtigste Person für die meisten von uns war ein großartiger Regisseur: Erwin Piscator. Viele wollten in seiner Studentengruppe sein. Das Interessante an dieser Gruppe war, dass ich mich am ersten Tag umsah und alle von ihnen schienen unwahrscheinliche Kandidaten für Theatererfolge. Der Name des ersten war Marlon Brando, Walter Matthau, Rod Steiger. Dann Tony Curtis, Anthony Franciosa. Wir sahen einander an und wussten, keiner von uns würde Erfolg haben.
Egon Krenz wollte Harry Belafonte auf seinem Berlin-Besuch unbedingt empfangen. Zur gleichen Zeit war Udo Lindenberg mit an Bord und musste drei Stunden Unter den Linden warten …
Ich habe mal mit Udo gesprochen. Es ist nicht leicht mit Udo zu reden. Aber er teilt mit jungen Leute auf der Bühne seine Abende. Ich glaube, wir können eine Menge von Udo lernen.
Etwas, das Du noch nicht gemacht hast: ein Musical. Steht das in Deinen Zukunftsplänen?
In meinen Zukunftsplänen steht alles. Ich versuche immer herauszufinden, welche neuen Abenteuer ich erleben kann.
Was fiel Dir leichter: diesen Film zu machen oder das Buch „My Song“ zu schreiben?
Ohne Dialoge war der Film viel einfacher als das Buch. Der Grund, dass ich das Buch schrieb, war, das viele Leute sagten: Du solltest ein Buch schreiben oder einen Film über dein Leben drehen. Ich widersetzte mich, weil ich unsicher war. Prominente, die Bücher über ihre Leben schreiben sind mir suspekt. Es ist nicht immer die wahrheitsgetreueste Reise. Doch als Marlon Brando starb, verlor ich nicht nur einen Freund, sondern begriff, dass viele das Ausmaß, in dem sein Sozialaktivismus ihn als Schauspieler prägte, nicht erkannten. Als Marlon starb, kannten ihn alle durch seine Arbeit und dafür, wie die Frauen hinter ihm her waren und er hinter den Frauen. Ich hatte ihm Platz gemacht.
Die Leute, die von Marlon beeinflusst wurden, würden nicht an ihn denken, ohne an sein Verhältnis zu den amerikanischen Ureinwohnern, zu Schwarzen, zu radikalem Sozialdenken und Verhalten. Wenn Künstler wüssten, dass es diesen Aspekt gab, würden sie angeregt, Kunst als Werkzeug humaner Entwicklung zu nutzen, nicht nur zu Unterhaltung und Eskapismus. Also machte ich mich daran, Leute zu interviewen und bekam so viel Material zusammen, dass die Idee umfassender wurde. Das führt zu der Idee des Buches. Ich dachte, ich habe all dieses Recherchematerial. Ich schreibe das Buch in rund einem Monat. Vier Jahre später rang ich immer noch damit. Nie fiel mir etwas so schwer, wie das schriftliche Erzählen einer Geschichte. Zum Glück fand ich einen jungen Mann, der mehrere Bücher über die Probleme von Arbeitern in Amerika verfasst hatte. Dank ihm und meiner Frau hoffe ich, dass Euch ihr Buch gefällt. Es ist bloß meine Geschichte, aber es ist ihr Buch.
Beitragsbild © Arsenal Filmverleih