Max ist wohl ein häufiger Name in der post-apokalyptischen Wüstenlandschaft, durch die Regisseur George Miller sein hochexplosives Action-Vehikel jagt. Warum sonst heißt der von Tom Hardy verkörperte Titelheld wie der aus der Trash-Trilogie mit Mel Gibson? Letzter taucht im im neuen Mad Max zum Glück nicht auf. Davon hätte die Neuauflage durchaus profitieren können und tatsächlich legt das Reboot einen Gang zu – um die Kino-Karre mit Kawumm gegen die Wand zu fahren.
Vielleicht dachte der Schöpfer der angerosteten Road-Movie-Reihe, dass 30 Jahre nach Mad Max: Beyond Thunderdome sich sowieso niemand mehr erinnern könnte, wo die Story damals endete. Und mal ehrlich, weiß das noch irgendwer, jetzt ohne googeln? Womöglich will Mad Max: Fury Road aber auch gar nichts mit dem Original zu tun haben, weil Miller dämmerte, dass der Mix aus Chauvinismus, Vigilantismus und Aussi-Apokalypse heute ziemlich peinlich ist. Dass in der rabiaten Rallye nun Frauen nicht mehr nur Sexobjekte sind oder sich, wenn durch den Skeletor-liken Oberschurken Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) dazu degradiert, dagegen effektiv wehren, wertet die Handlung enorm auf, ist jedoch zwiespältiger Anlass zum Frohlocken. Der Aspekt, für den das Reboot das meiste Lob kassiert, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Muss ein Film jetzt echt schon dafür gepriesen werden, dass er nicht offensivsexistisch, rassistisch, homophob oder anderweitig menschenfeindlich drauf ist?
Offenbar, denn mehr als solide Unterhaltung, gute Darstellerinnen und ein amüsantes Setting hat findet sich nicht in der selbstverliebten Kolportage. Die Inszenierung überfährt in Dampfwalzen-Manier mit visuellen Einfällen, die allesamt abgepaust sind. Mehr als bei der selbstgeschaffenen Vorlage bedient sich Miller bei Kult-Klassikern des Genres. Gleich zu Beginn flieht Max durch ein Erdlabyrinth vor einer Horde albinoweißer Kamikaze-Krieger, die aussehen wie eine Kreuzung aus Morlocks und den Vampir-Zombies aus Der Omega-Mann. Passenderweise wollen ihn jene Warboys als lebende Blutkonserve. Als solche gleich einer menschlichen Kühlerhauben-Figur auf das Gefährt gefesselt, nimmt ihn der todesgeile Nux (Nicholas Hoult) mit auf Kampftour, um Joes entflohenen Harem einzufangen. Fluchthelferin der fünf „Mütter“, die in ihren im Wüstenwind wehenden weißen Gewändern aussehen, als seien sie auf dem Weg zu einem Foto-Shooting (tatsächlich sind Rosie Huntington-Whiteley, Zoë Kravitz, Abbey Lee, Courtney Eaton und Riley Keough allesamt Models) ist Immortans rebellierende Gefolgsfrau Imperator Furiosa (Charlize Theron).
Anscheinend war die toughe Heldin einst selbst zur Zeugungsmaschine bestimmt aber Charakterzeichnungen bleiben neben den feuerspeienden Karossen schnell auf der Strecke. Protagonisten werden über Gadgets und Gimmicks definiert: ein Lenkrad, eine Jacke, eine Frisur wie Ellen Ripley in Alien 3. Furiosa und der von Horrorfilm-Visionen geplagte Max suchen nach Erlösung. Pärchen-Potenzial. Einige Explosionen, einen Sandsturm und unzählige Liter Sprit später sitzen sie samt Haremsdamen in einem mit Muttermilch befüllten Tanklaster unterwegs in ein erhofftes grünes Paradies. Dabei entpuppt sich ihre Reise genau wie der gesamte Film als, so Furiosa „detour“. Doch selbst die umfährt nicht die klaffenden Logiklücken. Wenn Sprit und Wasser in der Wüstenwelt so wertvoll sind, warum planschen Immortans Frauen und Krieger damit herum? Sind Transfusionen ohne Blutgruppenbestimmung nicht potentiell tödlich? Und wenn alle gegen Immortan sind, warum rebellieren sie nicht früher gegen den am Beatmungsgerät hängenden alten Knacker?
Die von schrillen E-Gitarren-Riffs getriebenen Zusammenbau von Death Race 2000 und It’s a Mad, Mad, Mad, Mad World bettelt wie ein verwöhntes Kind ununterbrochen um Aufmerksamkeit und erreicht damit das Gegenteil. Die feministische Botschaft wirkt letztlich so konstruiert und kalkuliert wie Millers vermeintliche Epiphanie unaufrichtig, trotz des kurzweiligen Unterhaltungswert. Auch aufgemotztes Blech kann ganz schön blenden.
- Beitragsbild © Warner Bros.