Bedachtsam umfassen die Finger einer Unbekannten die Figuren und halten sie fast zärtlich. Mit der eleganten Eröffnungsszene verführt Caroline Bottaro ihr Publikum dazu, Sandrine Bonnaire bei ihrer Transformation in die Titelfigur Helene zu beobachten. Doch der aparte Eröffnungszug führt das Drama nicht zum künstlerischen Sieg. Bertina Henrichs Erfolgsroman „Die Schachspielerin” wird im Debütfilm Bottaros zur unentschlossenen Partie. Im Beruf und daheim ist Helene (Sandrine Bonnaire) die Putzfrau. Ihr Ehemann Ange (Francis Renaud) hat das Interesse an ihr verloren, sexuell und persönlich. Als sie durch Zufall den eigenbrötlerischen Dr. Kröger (Kevin Kline) bei einer Schachpartie beobachtet, erwacht in Helene eine neue Leidenschaft. Das Strategiespiel repräsentiert für sie eine strategische Denkweise, welche die passive und bis zum Selbstverzicht aufopferungsvolle Helene anzieht.
In ihren Alltag schleicht die Passion über einen Umweg, als ein abgelehntes Geburtstagsgeschenk Helenes an ihren Mann. Statt seiner stellt sie sich selbst der intellektuellen Herausforderung und trägt das daraus gewonnene Selbstvertrauen schließlich nach außen. Bottaro betont die doppeldeutige Konnotation des Spiels. Als sei sie in flagranti ertappt worden, schreckt Helene auf, als Dr. Kröger sie vor dem Brett überrascht. Er erkennt ihre Begabung und es entsteht ein Verhältnis, dass nicht nur Helens Gatte verkennt. Zug um Zug gewinnt die Protagonistin an Selbstbewusstsein. Doch die Charakterwandlung folgt streng den Regeln filmischer Konventionen. Der Boden unter Helenes Füßen wird zum Schachbrettmuster, auf dem sie sich gleich einer Spielfigur springt und ihre Emanzipierung entnimmt sie quasi direkt der Spielanleitung: „Die Dame ist die stärkste Figur“.
Ihre neuentdeckte Unabhängikeit erschreckt Ange, der sie durch geheuchelte Zuneigung zu binden versucht. Nötig erscheint das kaum, denn Helens Selbstfindung verharrt brav in bürgerlicher Konventionen. Statt ihrem Käfig zu entfliehen, schließt sie sich endgültig darin ein. Die finanziellen Sorgen des auf Korsika in einem ansehnlichen Haus lebenden Paares bleiben unglaubwürdig. Berichtet Helenes jugendliche Tochter, ihr Schwarm wolle sie nicht, da er einer besseren Schicht entstamme, ist dies einer der raren Realitätseinbrüche in die sonnige Inselwelt. Im Gewand eines Dramas erzählt Bottaro ein Märchen. Zu spielerisch lösen sich darin die Konflikte. Das dramatische Potential der Geschichte einer vom Leben Enttäuschten bleibt unausgeschöpft. Eine interessante Partie, aber dennoch eine verlorene.
- OT: Joueuse
- Regie: Caroline Bottaro
- Drehbuch: Caroline Bottaro, Bertina Henrichs
- Produktionsland: Frankreich, Deutschland
- Jahr: 2009
- Laufzeit: 101 min.
- Cast: Sandrine Bonnaire, Kevin Kline, Francis Renaud, Valerie Legrange
- Kinostart: 07.01.2010
- Beitragsbild © Concorde