Ein filmisches Juwel ist Stephan Elliott dem ersten Anschein nach gelungen. Funkelnd vor Witz, glänzend in seiner Ausstattung, besetzt mit hochkarätigen Darstellern, so strahlend präsentiert sich die Kinoadaption Noel Cowards gleichnamigen Theaterstücks vor. Dass sich hinter untadeligem Auftreten nicht zwangsläufig untadeliger Charakter verbirgt, muss jedoch nicht nur die junge Heldin der Komödie feststellen. Auf den zweiten Blick entpuppt das vermeintliche Unikat als Strass. Dialoge und Charaktere mögen geschliffen tun, sie bleiben Plastik, durchschauen und artifiziell. Die Inszenierung spiegelt in ihrer übermäßigen Leichtfertigkeit die titelgebende Easy Virtue. Doch zwischen humoristischer Sozialstudie und Sittengemälde pendelt Regisseur und Co-Drehbuchautor Elliott so gekonnt, dass man sich von kleinen Mängel nicht schockieren lässt.
Genügend schockiert ist schon die prüde Engländerin Veronica Whitaker (Kirstin Scott Thomas). John (Ben Barnes), ihr einziger Sohn und jüngstes Familienmitglied, hat sich mit einer Amerikanerin vermählt. Die geschiedene Rennfahrerin Larita (Jessica Biel) wirkt auf die in spießbürgerlicher Verklemmtheit erstarrten Whitakers noch exotischer als ihr Name. Die sonnige Lage des Landguts ist trügerisch. Über dem Anwesen türmt sich eine dunkle Wolke von Schulden und die romantischen und gesellschaftlichen Perspektiven für Johns ältere Schwestern Hilda (Kimberley Nixon) und Marion (Katherine Parkinson) sind trübe. Mit Sympathie begegnen Larita nur Veronicas sarkastischer Gatte Mr. Whitaker (Colin Firth) und Butler Furber (Kris Marshall). Die alte Mrs. Whitaker und ihre Töchter reagieren auf die junge Mrs. Whitaker allergisch wie Larita auf die Blumen, die Veronica hinterhältig um die Amerikanerin platziert. Nachdem Larita sich in diverse Fettnäpfchen und auf das Haushündchen gesetzt hat, richten die Intrigen der Hausdamen sich auch gegen ihre Ehe mit John.
Der süffisante Witz blendet nicht nur, er blendet aus: die vielen inszenatorischen und dramaturgischen Feinheiten, welche ein Meisterwerk von nettem Unterhaltungskino unterscheiden. Die Noel-Coward-Adaption von Eine unmoralische Ehefrau ist ein cineastisches Fliegengewicht, welches die veritablen Darsteller umso vergnüglicher machen. Nur der blasse Ben Barnes stört mit der gleichen ausdruckslosen Miene, welche er schon Dorian Gray in Alan Parkers misslungener Verfilmung von Oscar Wildes hintergründiger Gesellschaftsstudie lieh. Das Ende ist nicht Absage an die verstaubte Doppelmoral, sondern Versöhnung mit ihr. Nicht Gegensätze ziehen sich an, sondern gleich und gleich gesellt sich gern. Eine unmoralische Ehefrau und ihr Idealer Gatte werden von dem Ort entlassen, an dem die Konvention das Paar nicht duldet. Ein Picasso in petto entschädigt die zukünftigen Neureichen für die Vertreibung aus dem spießbürgerlichen Paradies.
Was den meisten als erste Verfilmung erscheint, ist tatsächlich die zweite. Ein junger Hitchcock verwendete den Stoff 1928 in einer frühen Regiearbeit. Die Handlungsepoche des 1924 zum Überraschungserfolg avancierten Gesellschaftsstücks war damals die Gegenwart. Der Widerspruch zwischen gefühlter amerikanischer Dekadenz und vermeintlichem englischen Anstand besaß nicht die hauchdünne, aber sichtbare Patina des Unzeitgemäßen, welche Elliotts Komödie anhaftet. Dafür war Hitchcocks Werk ein Stummfilm, was man sich mit den prickelnden Dialogen im Ohr kaum vorstellen kann. Die ironischen Bonmots, welche wohl öfter Noel Cowards Bühnenstück als Elliotts Drehbuch entstammen, werden so rasant geäußert, dass jedes neue das vorherige vergessen lässt. Vielleicht erscheint daher das letzte – „When the going gets though the though get going“ – am elegantesten, vielleicht auch, weil es als Songtitel Teil des großartigen Soundtracks ist. Letzter macht die Trivialkomödie erst zu jenem fadenscheinigen filmischen Tand, dessen Ensemble Veronica Whitaker treffend als „perfect for musical comedy“ bezeichnet. Als ernstzunehmende Satire nimmt er es zu leicht mit der dramatischen Tugend.
- Beitragsbild © Sony