Gleich der exzentrischen Filmfiktion ihrer eigenen Mutter ist Eva Ionesco so versessen darauf, ihr inszenatorisches Baby auszustaffieren, dass sie dessen Unreife übersieht. Im aberwitzigen Taumel zwischen Kitsch, Theatralik und Mystifizierung ihrer eigenen Person re-imaginiert die Regisseurin und Co-Drehbuchautorin ihre Kindheit als stilistisches Mash-up von Lolita, Babydoll und Mommy Dearest. Diese selbstvernarrte Überstilisierung wirkt verständlich angesichts der grotesken Objektifizierung, der Ionescos jugendliches Alter Ego Violetta (Anamaria Vartolomei) ausgesetzt wird. Pädophilie, Ausbeutung, Inzest und die unscharfe Grenze zwischen Kunst und Kommerz dienen als sensationalistische Lockmittel, denen die semi-biografische Story ängstlich ausweicht. Zuckersüß und sexy kostümiert sich bourgeoise Prüderie.
Das Filmdebüt der Tochter der französisch-rumänischen Fotografin Irina Ionesco erzählt keine Geschichte von Eltern und Kindern, sondern Puppenmüttern und Puppentöchtern. Die mit Eifersucht gepaarte Fixierung der alternden Mutter Hanna (selbstironisch: Isabelle Huppert) auf ihre Tochter als perfekte Projektionsfläche ihrer Jugendsehnsucht spiegelt sich in der visuellen Fetischisierung der Tochter, die sie in grenzwertig aufreizenden Posen und mit lasziven Gesten ablichtet. Während sie anklagend auf die Rabenmutter-Karikatur zeigt, bedient Ionesco auf den verkappten Voyeurismus eines biederen Publikums und spekuliert auf die Popularität pädophil angehauchter Sexualisierung und misogyner Stereotypen. Diese abgeschmackte Mischung aus Egomanie, Sexismus und Doppelmoral unterminiert Anwandlungen von Camp
Hannas Manipulation Violettas verwandet das behütete Mädchen in eine kapriziöse Kopie ihrer selbst. Zugleich wird emotionaler Missbrauch jedoch ununterbrochen ästhetisiert und somit letztlich banalisiert. Die maliziöse Melange aus Familienexposé und Farce verurteilt in seinem bigotten Weiblichkeitskonzept drei Generationen Frauen für deren krankhafte, übermäßige oder mangelnde Liebe. Denn Hannas Spleens sind Symptome der gefühlten Unbeliebtheit seitens Violettas Großmutter. Aus der Inszenierung Violettas spricht auch heimliche Sehnsucht nach der Rolle eines verhätschelten Kindes. Doch psychologische Nuancen verdrängt die gewollte Kontroverse. Letzter verdanken immerhin Irina Ionescos Fotografien ihre Bekanntheit. Absurde Ironie, dass ihre Tochter mit einem Doppelporträt nun ähnlich zweifelhafte Prominenz anstrebt.
- OT: My Little Princess
- Regie: Eva Ionesco
- Drehbuch: Philippe Le Guay, Eva Ionesco, Marc Cholodenko
- Produktionsland: France
- Jahr: 2011
- Laufzeit: 105 min.
- Cast: Isabelle Huppert, Anamaria Vartolomei, Georgetta Leahu, Denis Lavant, Jethro Lazenby, Louis-Do de Lencquesaing, Pascal Bongard, Anne Benoît, Johanna Degris-Agogue, Déborah Révy, Lou Lesage, Nicolas Maury, Pauline Jacquard, Eve Bitoun, Jo Sheridan, Linda Bonneau
- Kinostart: 27.10.2011
- Beitragsbild © Warner