„Guckt mich nicht alle an, als hättet ihr euch solche Sachen nicht schon vorher angeschaut“ Jo jedenfalls hat sie sich angeschaut, nicht nur einmal rein zufällig, sondern gezielt und immer wieder. „Machen doch alle.“ Nein, machen nicht alle. Bloß die übrigen Mitglieder der Oneline-Community All2Gether: Max (Jack Gordon) tut es wegen der Anonymität, Gwen (Elen Rhys), für ihr Selbstbewusstsein. Dave (Michael Jibson) tut es, weil es ihn anmacht und Jo (Scarlett Alice Johnson) um Alltagsstress auszublenden. Früher brauchte die Single-Mutter Alk, jetzt hat sie All2Gether. Nur fehlt dem perfiden Onlinenetzwerk fatalerweise die Sicherung vor bedenklichen Inhalten, nach der Chris Crow seine reißerische Facebook-Verdammung tauft.
Dank All2Gether sind die gegensätzlichen Protagonisten Überflieger. Bisher waren sie es nur auf den Web-Profilen, mit denen sie sich online inszenieren. Nun starten sie als Gewinner eines Gewinnspiels von All2Gether in der Realität durch; nicht der virtuellen, sondern der greifbaren, wo die Reise nach New York im Privatjet und der Gratis-Champagner echt sind und ihre Gegenüber Gesichter haben statt Profilbilder. Außer Alligator. Das Comic-Maskottchen von All2Gether begrüßt via Telebildschirm die Passagiere als anonymer Reiseführer (Joshua Richards) und zugleich Moderator der Spielshow, zu der das Quartett eingeladen ist. Auszusteigen aus dem tödlichen Wettbewerb ist dabei so unmöglich wie aus der Maschine, die ein ganz anderes Ziel ansteuert als New York. Einmal an Bord gibt es kein Entrinnen, weder die Figuren noch die Zuschauer, die das appellative Angstspiel an deren Plätze setzt. Die Plätze in der erstickenden Enge des Flugzeugs, der sich die Charaktere nur auf die Bordtoilette entziehen können, und den Beobachterpositionen virtueller Voyeure.
Als solche sind Jo, Gwen, Dave und Max Mitverantwortliche der medialen Aktionen, an denen sie partizipieren, die sie konsumieren und von denen sie profitieren. Die psychische Konventionalität des Quartetts dient dabei als Stilmittel, mit dem die hochfliegende Horrorparabel statt Individuen Prototypen kreiert. Die bewusste Verallgemeinerung, die den mahnenden Subtext unterstreichen soll, schwächt die Handlung indes nicht nur psychologisch. An den Feinheiten der medienkritischen Materie ist Regisseur Crow bestenfalls rudimentär interessiert, genau wie an denen der sich durch virtuelle Portale und Foren verlustierenden und reproduzierenden Figuren. Deren Eindimensionalität spiegelt die des Konzepts, welches der ambivalente Horror-Thriller von den Mechanismen virtueller Netzwerke propagiert. Die beunruhigendester Option von letzten ist die verlockendste: das Betreten einer Grauzone, in der ethische Grenzen sowie die der eigenen Identität spielerisch und nebenbei verwischt werden können.
Den Selbstverlust, der mit der Konstruktion eines fiktiven Alter Egos einhergeht, ignoriert „Panic Button“ indes gemeinsam mit den Widersprüchen, die das ansehnliche Konzept in dramaturgische Turbulenzen bringen. Nahezu aller an virtueller Netzwerken angeprangerten Aspekte bedient sich das Szenario auf inszenatorischer Ebene selbst, sei es Anonymität, Exhibitionismus, Sadismus, Sensationsgier oder Manipulation. Die plakativen Dialoge, in denen sich Alligator neben den Akteuren an die Zuschauer wendet, erodiert unfreiwillige Selbstironie. Er halte ihnen nur einen Spiegel vor, belehrt der verborgene Moderator seine Opfer: „Vielleicht wollt ihr euch darin mal genauer ansehen.“
„Wir haben uns alle in der Vergangenheit Scheiße angeguckt, die wir nicht hätte sehen sollen. Jeder, der sagt, er hat das nicht, ist ein verdammter Lügner“, verkündet Dave. Wer Panic Button gesehen hat, muss ihm Recht geben.
- Beitragsbild © Savoy Film