Das Frankenstein-Motiv erhält einen technologischen Twist in Vincenzo Natalis Sci-Fi-Horror. Der Regisseur und Drehbuchautor lotete die Abgründe wissenschaftlicher Hybris bereits in seinem klaustrophobischen Thriller Cube aus. Seine clevere Kritik an enthumanisierter Medizin erinnert in den Grundzügen an eine soziale Parabel, deren sehr realer Schrecken den des Monsters übersteigt. Das Handlungsgerüst des Gen-Horrors ist keineswegs weit weg von der Wirklichkeit. Ein emotional unreifes Paar bekommt heimlich ein Baby, das sie von der Gesellschaft abschotten. Als die Entdeckung des Kindes droht, sperren sie das Kind in eine entlegene Baracke. Die seelische Misshandlung durch Isolation und Vernachlässigung mündet in Missbrauch. Als das mittlerweile erwachsene Kind nach einigen vereinzelten Ausbruchsversuchen schließlich gewaltsam zu fliehen versucht, töten die Eltern ihren Nachwuchs und verscharren die Leiche im Wald. Doch Dren (Delphine Cherneac), so der Name des Kindes, ist nicht menschlich – nicht ganz jedenfalls.
Die Kreatur des Forscherpaares Clive (Adrien Brody) und Elsa (Sarah Polley) ist eine aus menschlicher DNA geklonte Chimäre und eher mitleid- als furchterregend. Das unnatürlich schnell alternde Hybridwesen Dren ist verstörend menschlich, doch gefährlich. Der Filmtitel spielt darauf an, dass Dren als künstlicher Lückenfüller dienen soll. Das Produkt verbotener Forschungen wurde als lebendes Depot genetischer Materialen geschaffen. Ihre Eltern haben bei ihrem Tun weder Skrupel noch Bedenken. „Was kann Schlimmes passieren?“, fragt Elsa ihren Arbeits- und Lebenspartner Clive, während Dren die beiden stumm beobachtet und das Publikum Böses ahnt. Natali stellt allerdings durch eine Reihe von Anspielungen schon früh klar, von wem hier tatsächlich das Böse ausgeht. Das beginnt mit dem Titel, der auch ein umgangssprachlicher Begriff für Heiraten ist. Der wissenschaftliche Schöpfungsakt tritt bei Clive und Elsa an die Stelle einer biologischen Fortpflanzung. Das klinische Umfeld des Labors gibt dem Paar dabei das Gefühl absoluter Kontrolle.
Nicht zufällig klingen die Namen der Figuren von Brody und Polly an die der Titelfiguren-Darsteller von James Whales The Bride of Frankenstein an: Colin Clive und Elsa Lanchester. Bei Natali erhält Elsa zunehmend monströse Züge, wenn sie die zuvor von ihr umsorgte Dren quält. In einer bizarren Variation des vielschichtigen Braut-Motivs aus Whales Horrorklassiker wird Dren zu Clives Sexualpartnerin. Leider mündet die Story, die als vielversprechende Auseinandersetzung mit dem gentechnischen Fortschritt begann, hier in groteske Komik. Das Motiv perverser Familienstrukturen tritt gegenüber dem Monster-Horror zurück, obwohl es spannender ist. Elsa gibt Dren einen Namen, Kleidung und Spielzeug, aber als das skurrile Haustier das grausame Spiel nicht mehr mitmacht, verkehrt sich ihre Zuneigung in Wut. Clive wiederum vermeidet die Bezeichnung „Kind“ für Dren, weil er gegenüber ihr ein inzestuöses Begehren spürt. Splice ist voll von solchen Details und Querverweise, von der Christushaltung Drens auf dem Labortisch bis zu Clives T-Shirt-Aufdrucken.
Der originelle Fantasy-Horror weckt hohe Erwartungen, die er dann doch nicht erfüllt. Das macht den Film trotz der interessanten Ansätze letztendlich frustrierend – weil mehr als passable Unterhaltung drin gewesen wäre.
- OT: Splice
- Regie: Vincenzo Natali
- Drehbuch: Vincenzo Natali, Doug Taylor, Antoinette Terry Bryant
- Produktionsland: USA, Kanada, Frankreich
- Jahr: 2009
- Laufzeit: 107 min.
- Cast: Adrien Brody, Sarah Polley, Delphine Chanéac, Brandon McGibbon, Simona Maicanescu, David Hewlett, Abigail Chu, Jonathan Payne
- Kinostart: 03.06.2010
- Beitragsbild © Senator