Das Trauma unerträglichen Verlusts in einem sozialen Klima der Ausgrenzung und Gleichgültigkeit ist das emotionale Zentrum von Vlad Feiers Spielfilmdebüt. Dessen Story wirkt ähnlich fragil wie die Psyche des Hauptcharakters. Das Verschwinden seiner 12-jährigen Tochter Monique (Zariah Singletary) bringt Michael Watson (eindringlich: Maurice McRae) jeden Tag näher an den geistigen Zusammenbruch. Das ostentative Desinteresse der Polizei am Verbleib eines Kindes aus einem armen schwarzen Viertel beschwört der Regisseur und Co-Drehbuchautor wiederholt dialogisch als systemkritisches Momentum der Handlung. Diese jedoch entspricht bezeichnenderweise jener Diskriminierungsform des Wegsehen und Distanzaufbaus mittels der überflüssigen Figur des weißen Reporters Christian Baker (Johnny Whitworth).
Nah am Klischeecharakter, agiert Baker als Brücke zum marginalisierten Mikrokosmos der verzweifelten Familie. Deren Situation etabliert Feier zu oft gefiltert durch die überrepräsentierte Perspektive eines mittelständischen weißen Cis-Mannes, dessen Profilierungsbedürfnis das potenzielle Schlagzeilenmaterial reizt. Statt hier (selbst)kritisch seine eigene Position zu reflektieren und Erfahrungsdefizite gegenüber dem Alltagskampf mittelloser PoC anzuerkennen, reproduziert Feier wiederholt die abgegriffenen narrativen Muster einer White Savior Story. Dem entgegen steht das weit packendere Drama gepeinigter Angehöriger, deren Notlage ein korrupter Polizeiapparat als Affront betrachtet. Überzeugende DarstellerInnen kaschieren die brüchige Sensibilität und Glaubwürdigkeit einer Inszenierung, in der ausgerechnet das Erleben des Opfers zum Blinden Fleck wird.
- OT: Still Here
- Regie: Vlad Feier
- Drehbuch: Vlad Feier, Peter Gutter
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2020
- Laufzeit: 99 min.
- Cast: Zazie Beetz, Johnny Whitworth, Maurice McRae, Afton Williamson, Jeremy Holm, Larry Pine, Rupert Simonian, Danny Johnson
- Kinostart: 27.08.2020
- Beitragsbild © Kinostar