Dass es 2025 auf Sundance kein prominenteres es und präsenteres Thema gab, als die Frage danach, wo dessen übernächste Ausgabe stattfindet, sagt ebenso viel über die einzigartigen Qualitäten des bedeutendsten Independent Film Festivals aus, wie über die diesjährigen Filme. Von denen wurde kein einziger so intensive diskutiert wie die Sundance Location 2027. Obwohl viele das Festival mit Stadt Salt Lake City verbinden, ist der eigentliche Ort Park City, ein von SLC 50 km entferntes Ski Ressort im Nirgendwo, wo die Temperaturen im Februar bis zu -20 Grad fallen. Aber vielleicht wollte Robert Redford als er vor 44 Jahren das Sundance Institute gründete.
Das Sundance Institute übernahm 1984 das nach nur ein paar Jahren schon marode Utah/U.S. Film Festival, das bisher im September in SLC stattfand, und krempelte es komplett um. Neuer Standort, neue Spielzeit, neue Ausrichtung, neue Struktur, neue Leitung und ein von Redfords Lieblingsrolle und seiner gleichnamigen Ranch inspirierter Name. Die Hintergrundgeschichte braucht es, um nachzuvollziehen, welchen Wandel diejenigen, die das Festival als untrennbar mit Park City verwachsen ansehen, fürchten. Wird Sundance ein weiterer Blockbuster-Schaukasten, wo alte weiße Männer sich gegenseitig Preise zuschieben, alljährlich der gleiche Kino-Klüngel anrückt und Diversität nur akzeptabel ist, wenn ein reaktionäres Establishment sie approbiert und kontrolliert?
Kurz: Wird Sundance ein Film Festival wie Venedig, Cannes oder die Berlinale, wenn es nach Boulder umzieht, Cincinnati oder Salt Lake City? Zwei Dinge kristallisierten sich auf der vorletzten Ausgabe vor Ort heraus: Der einen Alptraum ist der anderen Wunschtraum und die Chancen für Park City stehen besser als gedacht. Ganz ähnlich ist das Fazit über die Preisträger. Alle wirkten wie Ausweichentscheidungen, die an besseren Werken und wichtigeren Themen vorbeigingen. Der enttäuschendste davon war Hailey Gates fade Kriegssatire Atropia in der US Dramatic Competition. Eine befremdlich banale Wahl bei Preiskandidaten wie Omaha, Ricky und Plainclothes von beklemmender Dringlichkeit und inszenatorischen Innovationsgeist.
Brittany Shynes über sieben Jahre entwickelter Seeds war eine starke Doku mit noch stärkerer Konkurrenz. The Perfect Neighbor, The Alabama Solution (in der Sektion Premieres) und Predators wirkten mit ihrem thematischen Fokus auf die mörderischen Stand Your Ground Gesetze, systemische Gewalt und Sklaverei ihn US-Gefängnissen sowie der ethischen Grenzüberschreitungen von Reality TV Shows ungleich dringlicher. Immerhin in der World Documentary Competition sowie World Dramatic Competition waren Cutting Through Rocks (اوزاک یوللار) und Cactus Pears ein solider Konsens in einem mittelprächtigen Jahrgang. Die spannendsten Filme fanden andernorts. Emilie Blichfeldts Body-Horror-Märchen The Ugly Stepsister machte alles richtig, was The Substance im vergangenen Jahr falsch gemacht hatte.
Ein weiterer Überraschungserfolg, der ebenfalls in die Midnight Sparte gepasst hätte, war If I Had Legs, I’d Kick You, der sich mit dem tabuisierten Thema von Horror und Hass gegenüber der Mutterrolle befasst. Mary Bronsteins Psychothriller-Groteske lief kurioserweise in der eher Mainstream affinen Sektion Premieres – auch auf Sundance ist die Einteilung in Sektionen nicht selten verwunderlich – neben Romanverfilmungen, Reboots und Werken, die ein bisschen von beidem waren und von denen keines länger im Gedächtnis blieb als es an Laufzeit beanspruchte. Aussagekräftig sind diese Star-Power-Werke als Vorahnung dessen, was Sundance an einem deren Ort werden könnte. Kein Festival der Entdeckungen, sondern der Déjà-vus.
Das 42. Sundance endete vor einer Woche mit der Ankündigung der Festivaldaten des kommenden Jahres. Ob es das letzte in Park City ist oder wider Erwarten eine Bestätigung des alten Standorts, soll in wenigen Wochen bekannt gegebene werden. Wo es auch immer hingehen mag, wir bleiben für euch dabei.
Die vollständige Liste der Preisträger findet ihr hier.
Eine Übersicht aller Filme bekommt ihr hier.