“Let Sally be Sally”, heißt es in Cristina Costantinis ambitioniertem Doku-Drama über dessen prominente Titelfigur. Sally Ride schrieb Geschichte, als sie 1983 als erste Amerikanerin in den Weltraum flog. Die zum Zeitpunkt der NASA-Mission 32-Jährige aus Los Angeles wurde zur Ikone unzähliger junger Mädchen und eine Weile zur berühmtesten Frau der Welt. Umso bemerkenswerter ist in Retrospektive, wie wenig über ihr Leben abseits der Arbeit bekannt war. Die Erklärung dafür kam mit einer Enthüllung ihres Nachrufs.
Jener erwähnte nach Rides Tod 2012 ihre langjährige Partnerschaft mit Tam O’Shaughnessy. Sie sagt denn auch den erwähnten Satz, „Let Sally be Sally“, in dem die persönlichen Widersprüche anklingen, die ebenso auf der Leinwand greifbar werden. Das Beilegen alter Kränkungen, die nie direkt angesprochen werden. Die Resignation über die Unerreichbarkeit einer Persönlichkeit, die auch die am Lebenslauf der Astronautin orientierte Inszenierung nie durchdringt. Schließlich die nachträgliche Bitte um Akzeptanz, die Ride zu Lebzeiten nie fand.
Dass die Regisseurin nie die Verbindung zwischen beiden Faktoren herstellt, nie darauf kommt, dass Ride wahrscheinlich so verschlossen war, weil sie es wie nahezu alle queere Menschen sein musste, wenn sie ihre hochgesteckten Ziele erreichen wollte, ist bezeichnend. Das Gleiche gilt für den auffälligen Mangel eines an faszinierendem Archivmaterial und Original-Aufnahmen so reichen Werks an Kontext zu NASAs Einstellung zu queren Menschen. Nicht zufällig hat sich bis heute nie ein Astronaut oder eine Astronautin geoutet.
Noch 1990, gut sieben Jahre nach Rides Weltraummission, versuchte die NASA Homosexualität zum „psychiatrischen Disqualifikationskriterium“ erklären zu lassen. Die Ressentiments hinter diesem Angriff waren sicher ebenso massiv spürbar wie der normalisierte Sexismus, mit dem Ride sich bei der Arbeit und auf Pressekonferenzen herumschlagen musste. Wie ein inszenatorisches Relikt des Kalten Krieges wirkt zudem die nahezu völlige Ausblendung Valentina Tereshkovas. Vom Aufarbeiten dieser Leerstellen hätte das heroische Porträt mehr profitiert als von den ergänzenden Schauspielszenen.
Wie von einer Produktion des National Geographic zu erwarten, ist Cristina Costantinis Doku-Biopic über Raumfahrtpionierin Sally Ride handwerklich tadellos, idealistisch und durch und durch konventionell. Auf eine Spur konzeptioneller Originalität, die das schematische Lebensbild auflockern könnte, hofft man ebenso vergeblich wie auf tiefere Einblicke in das Wesen und Wirken Sally Rides. Weder die Talking Heads Interviews mit den Menschen, die ihr nahestanden, noch den eindrucksvollen Filmaufnahmen der NASA erschließt ein komplexeres Bild als das der Textbuch-Ikone.
- OT: Sally
- Director: Cristina Costantini
- Screenplay: Cristina Costantini, Tom Maroney
- Year: 2025
- Distribution | Production © National Geographic