“Diese ganze Generation ist ohne Liebe aufgewachsen.” So beschreibt einer der drei frustrierten Junggesellen in Violet Du Fengs gewitzter Doku das emotionale Defizit, das ihn und seine beiden Mitstreiter plagt. Li, Zhou und Wu sind Anfang zwanzig bis Anfang dreißig und drei von 30 Millionen junger Männer ohne Partnerin in Aussicht. Die sehnsuchtsvollen Blicke der verspielten Kamera auf diverse heiratsfähige Passantinnen in den belebten Straßen der Metropole Chongqing täuscht. Jahrzehnte der Ein-Kind-Politik und eine traditionelle Präferenz für Söhne haben in China zu einem akuten Frauenmangel geführt.
Wer heterosexuelle Zweisamkeit finden will, muss beste Voraussetzungen mitbringen: gehobene Herkunft, hohes Einkommen, gutes Aussehen. Alles Eigenschaften, mit denen die Kandidaten nicht gesegnet sind. Deshalb ist ihre letzte Hoffnung einer der gefragtesten Dating Coaches des Landes. Dennoch bleibt die Inszenierung stets respektvoll gegenüber ihren verkrampften Protagonisten. Auch sie sind Opfer eines Systems patriarchalischen Traditionalismus und produktiver Optimierung. Beide sind ironischerweise auch Kernfaktoren des titelgebenden Business-Modells, das Profit-Potenzial in der sozialstrukturellen Schieflage findet. Haos eigene Erfolgsgeschichte spricht scheinbar für den energetischen Entrepreneur, der das Trio fit für den Heiratsmarkt machen will.
Obwohl weder attraktiv noch wohlhabend, hat es Hao scheinbar beruflich und romantisch geschafft. Doch Risse in seiner Ehe zur intelligenten Wen, die ihre eigene Partnerschafts-Agentur leitet, enthüllen mit süffisantem Feinblick, dass ausgerechnet Haos Bagger-Strategie seiner Beziehung schaden. Seine Partnerin ist genervt von seiner unechten Fassade und den manipulativen Techniken, die unangenehm an die misogynen Methoden westlicher Pick-up Artists erinnern. Dass die Regisseurin die Parallele nie zieht, ist eine der eklatantesten Leerstellen der schwungvollen Inszenierung. Dafür schärft der lokale Fokus das pointierte Porträt Chinas Gegenwartskultur.
Mit Witz und Hintersinn liefert Violet Du Feng einen unterhaltsamen Einblick in Chinas kompetitive Dating-Szene. Darin sind materialistische und klassistische Bias ebenso selbstverständlich wie die Objektivierung der potenziellen Partnerinnen. Subtile politische und ideologische Observation enthüllt die amüsanten Vignetten als trügerisch triviales Symptom einer tiefgreifenden Krise mit bedenklich destruktiven Tendenzen. Der Mangel an Frauen verstärkt nicht nur romantische Isolation und Klassenhierarchien, sondern ein chauvinistisches Wertkonzept und damit die gleichen Faktoren, die ihn mitverursachten.
- OT: The Dating Game
- Director: Violet Du Feng
- Screenplay: Violet Du Feng
- Year: 2025
- Distribution | Production © FISH+BEAR PICTURES