Die zweite Ehe ist der Triumph der Hoffnung über die Erfahrung. Wie recht Samuel Johnson hatte, wissen der ungeschickte Freddie (Tom Riley) und seine psychisch angeschlagene Freundin Sophie (Jade Yourell) nur zu gut. Die längst im Erwachsenenalter angekommenen Kinder aus reichem Hause sagen in Stephen Burkes moderner Screwball Comedy zum zweiten mal Ja – obendrein zueinander, obwohl ihre erste gemeinsame Ehe scheiterte. Das Eheglück als Happy Ever Afters scheint beiden jedoch so wenig hold wie der forschen Maura (Sally Hawkins). Die alleinerziehende Mutter der gewitzten Molly (Sinead Maguire) macht sich keine Illusionen über die Gründe für ihre Heirat mit dem Einwanderer Wilson (Ariyon Bakare). Eine Zweckheirat soll Maura vor der Pfändung und Wilson vor der drohenden Abschiebung bewahren. Während beide Hochzeitspaare im selben Restaurant feiern, was eigentlich kein Grund zum Feiern ist, mündet das Gefühlschaos in reale Turbulenzen.
Nur eine weitere Liebeskomödie für den Massengeschmack, wie Titel und Kurzinhalt vermuten lassen? Nein, denn die Happy Ever Afters von Regisseur und Drehbuchautor Burke durchleben ihre Hochzeitsstrapazen nicht in den USA, sondern Irland. Humor, Figuren und das Ensemble, allen voran das vergnügliche Mutter-Tochter-Gespann Sinead Maguire und Sally Hawkins sind authentischer und rauer als in den meisten aalglatten Großproduktionen. Reines Unterhaltungskino ist Happy Ever Afters dennoch, doch erfrischender und realistischer als im Subgenre der Hochzeitskomödie üblich. Verkompliziert wird die angespannte Doppelhochzeit durch Freddies und Sophies streitlustiger Verwandtschaft. Und neben Molly keimen auch in den zwei verdeckten Ermittlern der Einwanderungsbehörde, die Wilson inkognito überwachen, Zweifel an einer Liebesheirat zwischen Maura und Wilson. Doch ieber eine ehrliche Lüge als verlogenen Ehrlichkeit, findet Burke und stellt ungeniert klar, welche der beiden Ehen ehrlicher ist. Entgegen der Kitsch-Konvention sind in Happy Ever Afters die rationalen Motive für eine Heirat achtbarer als die emotionalen. Letztere sind bei Freddie und Sophie keineswegs romantischer Natur. Minderwertigkeitskomplexe und Schuldgefühle führen das Paar vor den Traualtar. Während Wilson und Maura eine Behörde täuschen, betrügen Freddie und Sophie nicht nur einander, sondern vor allem sich selbst.
Die größte Schwäche der irischen Romantik-Komödie ist ihr Hang zur grobschlächtigem Klamauk und der klischeehaften Darstellung eines Lesben-Trios und der farbigen Hochzeitsgäste. Noch durchsichtiger als Sally Hawkins Brautjäckchen sind der Plot und dessen Auflösung. Dass Maura von allen ihr nahestehenden Personen ausgerechnet ihre intelligente Tochter Molly nicht in ihren Eheplan einweiht und das plötzliche Abziehen der behördlichen Ermittler sind gleichsam unplausibel. Doch die Heirat ist die einzige lebenslängliche Verurteilung, bei der man aufgrund schlechter Führung begnadigt werden kann, wusste Hitchcock. Weil sie sich so hartnäckig schlecht aufführen und ohne moralische Läuterung auskommen, finden die Protagonisten auch beim Zuschauer Gnade. Ihren charakterlichen und physischen Schwächen begegnet Burkes Kinodebüt nachsichtig. Keine der Figuren muss als Negativbeispiel herhalten – höchstens Freddies Schwiegervater, der schließlich grinsend wie Jack Nicholson zur Axt greift und dessen pikierte Gattin, deren bösartiges Sticheln in Trübsinn mündet.
Gerade diese Brüche mit der Genre-Norm machen den unscheinbaren irischen Hochzeitstanz sympathisch. Einmal sind es nicht die Reichen, Schönen und unnatürlich Anständigen, die allen erlittenen Katastrophen zum trotz Grund zum Feiern haben, sondern ein dank Betrugs nicht mehr illegaler Einwanderer, eine alleinstehende Mutter, eine neurotische, pummelige Braut und ein Noch-Ehemann vor der zweiten Scheidung. Ewiges Liebesglück ergibt sich daraus nicht – dafür zwei Stunden erträgliche Unterhaltung.
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