„Ich hab eure Aufmerksamkeit verloren, Leute“, gesteht der erfolglose Reinigungsmittel-Erfinder Andy Brewster (Seth Rogen) seiner aufdringlichen Mutter Joyce (Barbra Streisand), sich selbst und den potentiellen Vertriebskunden und indirekt dem Publikum, das Anne Fletcher belanglose Familienfarce noch mehr langweilt als die Firmenkunden Andys Produktpräsentation. Das fade Road Movie ist wahrhaftig eine Tour de force der Schuldgefühle, sofern sich Fremdscham für eine versäumte Chance dazu zählen lässt. Andy weiß, warum: „Das hier nervt und ist langweilig.“
In welchem Ausmaß vermittelt eine detaillierte Rekonstruktion der Handlung: Unterwegs mit Mum. Ende der detaillierten Handlungsrekonstruktion, die nebenbei der hiesige Untertitel ist. Sein Versprechen hält der Plot aufs Wort und gerade diese Simplizität macht die verkrampfte Filmfahrt mehr als holprig. „Du willst eine Woche in einem Auto mit deiner Mutter verbringen?“, fragt Joyce voll ungläubiger Freude, als Andy sie einlädt, ihn auf seiner Verkaufsfahrt quer durch die USA zu begleiten. Nein, will Andy nicht, sondern auf diesem Weg Joyce mit ihrem Jugendschwarm vereinen, nach dem er benannt wurde. Es ist eine Geschichte nach einer wahren Begebenheit aus Drehbuchautor Dan Foglemans Leben, über ein langgehütetes Geheimnis und Liebe, die eine zweite Chance sucht, und es ist Barbara Streisands erste Hauptrolle seit über einem Jahrzehnt. Wie ernüchternd vermeintliche Sehenswürdigkeiten sein können, sobald man sie erst einmal vor Augen hat, vermittelt der Mutter-Sohn-Ausflug zum Grand Canyon. „Wie lange sollen wir uns das ansehen?“, äußert Joyce die Frage, die sich angesichts des antriebslosen Plots aufdrängt. Anfangs teilt man noch ihre Hoffnung: „Es könnte Spaß machen.“ Macht es aber nicht, denn was zu einem leidliche Familiendrama gereicht hätte, will eine nonchalante Posse sein.
Zu einer solchen bilden Fletchers Vorzeige-Referenzen Step Up, 27 Dresses und The Proposal sowie Dan Fogelmans Cars, Bolt und Tangled die filmische Antithese. Kinderfilm-Autor und Romanzen-Regisseurin ergänzen einander in ihrem Faible für larmoyante Seichtheit perfekt. In jedem Fall sind sie Geschwister im Geiste, wobei sich schwer entscheiden lässt, wer des kleineren Kind ist. Dass diese Konstellation eine Spur inzestuös klingt, fällt nicht weiter auf in einer Story, in der Mutter und Sohn in einem Absteige-Motel das Zimmer teilen und Andy Seniors erwachsener Sohn statt mit der Gattin mit der Schwester zusammenlebt. Obendrein spielt die Rührszene, in der ein altes Paar wieder zueinander findet und Joyce bekennt, wer „die Liebe meines Lebens“ ist, zwischen Mutter und Sohn. Deren Hingabe überwindet alle Grenzen, beweist eine verzückte Totale: die Grenzen von Alter, Gesellschaftsklasse, Hautfarbe und Zuschauergeduld. Doch wenn die witzlose Mutter-Kind-Tour am Ende angekommen ist, sind es die Filmemacher noch längst nicht.
Sie zeigen die Protagonisten noch mal dort, wo man sie am häufigsten sah bei dem, was sie am häufigsten tun: Palavern im Auto. Das Abklappern komödiantischer Durststrecken wie Steak-Esswettbewerbe und Mutter-Sohn-Stripbar-Besuche lohnen die Out-Takes genauso wenig wie Streisands Leinwandrückkehr. Was den Weg ihrer nervtötenden Figur zu Postklimakteriums-Partnerschaft so beschwerlich macht, ließe sich von Oliver Stapletons drögen Kamerabildern über die verkappte Prüderie bis zur gezwungenen Auflösung ausführlich aufzählen. War man Unterwegs mit Mum reicht die Kraft gerade noch den Kopf zu schütteln wie Andy über gescheiterte Paarkonstellationen: „Es hat einfach nicht funktioniert.“
- OT: The Guilt Trip
- Regie: Anne Fletcher
- Drehbuch: Dan Fogelman
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2012
- Laufzeit: 95 min.
- Cast: Seth Rogen, Yvonne Strahovski, Adam Scott, Colin Hanks, Barbra Streisand, Kathy Najimy, Danny Pudi, Amanda Walsh, Michael Cassidy, Dale Dickey, Casey Wilson, Brett Cullen, Creed Bratton, Miriam Margolyes, Nora Dunn
- Kinostart: 18.04.2013
- Beitragsbild © Paramount Pictures