Ohne Einblick in Sólveig Anspachs Drehbuch-Entwurf, den die 2015 an Brustkrebs verstorbene Filmemacherin auf einer späten Liaison ihrer Mutter basierte, lässt sich nur mutmaßen, ob die prominente Platzierung fataler Krankheiten in der reifen Romanze ein Originalelement ist oder eine makabere Referenz der Drehbuchautorinnen Agnès de Sacy und Raphaële Moussafir. Die Hauptfiguren ihrer Story fühlen ihre gegenseitige Anziehung erstmals im Krankenhaus, wo Shauna (Fanny Ardant) bei einer sterbenden Freundin wacht und Pierre (Melvil Poupaud) Nachtschicht hat.
Die Nähe zum Tod – professionell, persönlich und physisch – stimuliert sichtbar beider Begehren, das die Pensionärin und der Onkologe auch nach einem Zeitsprung 15 Jahre in die Zukunft noch spüren. Das zufällige Wiedersehen entfaltete seine erotischen Untertöne ausgerechnet bei einem Gespräch über Krebs und schwerkranke Patientinnen. Dazu zählt auch Shauna, obwohl ihr Leiden nicht Krebs ist, sondern Parkinson. Dessen Symptome korrelieren mit körperlichen Annäherungen der Protagonisten, deren Beziehung perfekt für eine Sektion des ungewöhnlichen Fetischs wirkt.
Doch immer, wenn eine dramaturgische Auseinandersetzung immanent scheint, übergeht Carine Tardieu das morbide Motiv zugunsten sperriger Diskussionen über den deutlichen Altersunterschied zwischen der 71-Jährigen und dem 50-Jährigen. Pierres Gattin Jeanne (Cécile de France) echauffiert sich gar weniger über sein Fremdgehen als das Alter seiner Geliebten, die ihrerseits mit ihrem unaufhaltsamen gesundheitlichen Verfall hadert. Was augenscheinlich etwas Ersatzdramatik in die ihres Kernthemas beraubte Story bringen soll, unterstreicht indes den Mangel relevanter Konflikte zwischen Alters-Affäre und Akademiker-Zirkel.
Vergraben unter der generischen Gefälligkeit einer mit fiktiver und realer Tragik garnierten Herzschmerz-Episode steckt eine weit interessantere Problematik als jene, die Carine Tardieu zum Momentum ihrer Leinwand-Liebelei aufbauscht. Doch die Regisseurin wagt wenig verwunderlich nicht, die wiederholt anklingenden Aspekte tabuisierter Paraphilien und erotischer Fixierung zu vertiefen. So ist ihre handwerkliche Inszenierung bloß ein weiteres triviales Techtelmechtel zwischen zwei überprivilegierten Charakteren, denen es spürbar an Chemie fehlt. Die Darstellungen sind wie alles mehr bemüht als bewegend.
- OT: Les jeunes amants
- Director: Carine Tardieu
- Screenplay: Sólveig Anspach, Agnès de Sacy, Raphaële Moussafir
- Country: France
- Year: 2021
- Running Time: 114 min.
- Cast: Fanny Ardant, Melvil Poupaud, Cécile de France, Florence Loiret Caille, Sharif Andoura, Sarah Henochsberg, Martin Laurent, Olenka Ilunga, Manda Touré, Julia Gómez, Corey McKinley, Purshoothe Thayala, Elsa Bouchain, Loulou Hanssen, Anandha Seethanen, Salma Lahmer
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