Kein Sex, keine Gaunereien, absolut kinderfreundlich: Die Zirkusgesellschaft in Francis Lawrence’ Film bleibt künstlich und steril, nur der Sozialdarwinismus wirkt real.
Die große Show ist vorbei. Jacob Jankowski (Hal Holbrook) ist zu spät zu der Zirkusvorstellung gekommen. Nun sind die Lichter der Manege erloschen, deren Glanz der alte Mann aus seinen Jugendjahren kennt. 1932, mehr als ein halbes Jahrhundert früher, steht der Medizinstudent Jacob (Robert Pattinson) inmitten der „spektakulärsten Show der Welt“. Nach dem Tod seiner Eltern ist er auf den Zug aufgesprungen, den Wagentreck der Benzini Brothers. Dort inspiziert er als frisch angenommener Menagerie-Tierarzt die Beine der Pferde und der schönen Marlena. Die Kunstreiterin ist verheiratet mit dem gewalttätigen Zirkusdirektor August Rosenbluth (Christoph Waltz). Aufmüpfige Mitarbeiter lässt der vom fahrenden Zug werfen. Jacob wird vor diesem Los von der Elefantenkuh Rosie bewahrt. Doch die neuerworbene Exotin gilt als unzähmbar.
Jacobs und Marlenas Liebe wächst aus der gemeinsamen Zuneigung zu Tieren. Dass die Vierbeiner die Sympathie fast instinktiv teilen – etwa, wenn Rosie Jacob prompt zur Begrüßung sanft den Rüssel auf die Brust legt –, zählt zu den kleinen Sentimentalitäten der Nostalgie-Revue, die den mehr märchenhaften denn realistischen Grundton der Handlung verraten. August, in dessen Figur die Romangestalt eines Raubtierdompteurs und des Direktors zusammenfließen, ist der schillernde Bösewicht des Stücks. Über Mensch und Tier schwingt er gleichermaßen die Peitsche. Seine Brutalität macht ihn zur negativen Kontrastfigur zu Jacob.
Regisseur Francis Lawrence will keine untergegangene Kunstform zum Leben erwecken, sondern eine Ära. Die grellen Freak-Show-Plakate und das in einem episch abgefilmten Routineakt errichtete Zelt sind dabei aber nur der Hintergrund für ein pathetisches Liebesmelodram. Schillernder als die Zirkuswelt locken die 1930er Jahre. Nippt Reese Witherspoon im Satin-Kleid Champagner, erinnert sie an eine gealterte Jean Harlow: Dinner at Eight – heißt es auch für Jacob. Das Privatabteil des Wagentrecks wird zum Nachtclub, in dem Jacob, Marlena und August bei Jazz-Klängen sitzen, für „Cocktails & Supper“. So vornehm formuliert es die Einladung, die Jacob Zugang zur Schausteller-Elite verschafft.
Der Zug mag klassenlos sein, die Künstlertruppe ist es nicht. Ihre Rangordnung spiegelt die gesellschaftliche Hierarchie. Die Gemeinschaft ist eine Zweckgemeinschaft. Wird es eng, rückt man nicht näher zusammen, sondern gibt denen am Rand einen Schubs. Die einen fallen weich, die anderen auf Steine. Ein gealterter Alkoholiker und ein Kleinwüchsiger bleiben auf der Strecke. Über ihren Tod soll hinwegtrösten, dass der Hund des einen überlebt. Platz ist für den, der aufs Kommando hört und seinen Herrn kennt. Dieses unbarmherzige soziale Konzept, das keine Außenseiter – schon gar keine, die ihre Andersartigkeit mit Stolz tragen – akzeptiert, kritisiert der Film nicht, sondern idealisiert es.
Den Hund trägt Jacob in den Schoß seiner zukünftigen Familie. Zu deren Musterbild kennt die bigotte Schnulze keine Alternative. Vielleicht wurde Sara Gruens Romanvorlage zum Bestseller, weil sich Menschen in Krisenzeiten gern hinter konservativen Werte verbarrikadieren. Während die USA unter einer neuen Wirtschaftskrise leiden, versetzt Gruens Historienschund die Leserschaft in die Zeit der größten aller Depressionen. Das tröstliche Licht der “Liebe” erhellt hier selbst die Jahre nach dem Schwarzen Freitag.
In der Kernfamilie also wartet das „schönere Leben“, das Marlena laut Jacob verdient hat. Der Emigrant, der sich nach oben studiert und gearbeitet hat, die Waise, die nun mit beiden Beinen auf dem Boden steht, statt sich zu erheben auf Pferde- und Elefantenrücken. Nicht nur die Pferde finden ein Zuhause auf Jacobs und Marlenas Farm, sondern auch die Elefantendame. So war das wohl in der Zeit, bevor dicke Wagen in der Einfahrt den Nachbarn vermittelten, dass man auf großem Fuß lebt. Niemand müsse in Amerika arm sein, wird zu Filmbeginn verkündet, wenn er nur Grips hätte. Weil sie den besitzen, verlassen Jacob und Marlena The Greatest Show on Earth der Ringling Brothers, zu der sie nach dem Ende der Benzinis überlaufen, rechtzeitig. Von ihrem Ersparten stopfen die Eheleute neben den hungrigen Mäulern ihrer Kinder und Pferde sogar das eines Elefanten.
Die Ringling Brothers konnten weder Fidschi-Meerjungfrau noch der Riese von Borneo retten. Das Konzept, das August ihnen nachsagt, wurde in anderen Unterhaltungsformen perfektioniert: „Kein Sex, keine Gaunereien. Absolut kindertauglich.“ Dies gilt für Lawrence’ seelenlose Märchenwelt, entrückt von Magie und Monstrosität, von Angst und Abenteuer des wahren Zirkus. Ob zwischen Mensch und Tier oder Mann und Frau, die großen Emotionen sind behauptet. Die Szenerie glitzert, die Charaktere jedoch bleiben stumpf. Nur das Charisma von Holbrook und Waltz besteht gegen die Figuren, die dem Repertoire zahlreicher Zirkusfilme entstammen: der einfache Arbeiter, der den hellsten Stern der Manege für sich will, der unerbittliche und gleichzeitig schillernde Direktor, der lebenskluge Clown, den ein bitteres Schicksal trifft.
Die US-Flagge, die im Kino auf dem Zelt weht, proklamiert den dramatischen Tenor. Wasser für die Elefanten ist ein romantisiertes Konstrukt einer Vergangenheit, die es tatsächlich nie gab. Schläft die Welt, leben die Zirkusleute, sagt der Zirkusarbeiter Camel (Jim Norton) einmal. Die auf Sentiment und Herzschmerz setzende Abenteuerromanze macht den Umkehrschluss wahr. Mit den Worten eines der Schausteller: „Benzini-Brüder? Das war so ziemlich die größte Zirkuskatastrophe aller Zeiten!“
Die Ringling Brothers konnten weder Fidschi-Meerjungfrau noch der Riese von Borneo retten. Das Konzept, das August ihnen nachsagt, wurde in anderen Unterhaltungsformen perfektioniert: „Kein Sex, keine Gaunereien. Absolut kindertauglich.“ Dies gilt für Lawrence’ seelenlose Märchenwelt, entrückt von Magie und Monstrosität, von Angst und Abenteuer des wahren Zirkus. Ob zwischen Mensch und Tier oder Mann und Frau, die großen Emotionen sind behauptet. Die Szenerie glitzert, die Charaktere jedoch bleiben stumpf. Nur das Charisma von Holbrook und Waltz besteht gegen die Figuren, die dem Repertoire zahlreicher Zirkusfilme entstammen: der einfache Arbeiter, der den hellsten Stern der Manege für sich will, der unerbittliche und gleichzeitig schillernde Direktor, der lebenskluge Clown, den ein bitteres Schicksal trifft.
Die US-Flagge, die im Kino auf dem Zelt weht, proklamiert den dramatischen Tenor. Wasser für die Elefanten ist ein romantisiertes Konstrukt einer Vergangenheit, die es tatsächlich nie gab. Schläft die Welt, leben die Zirkusleute, sagt der Zirkusarbeiter Camel (Jim Norton) einmal. Die auf Sentiment und Herzschmerz setzende Abenteuerromanze macht den Umkehrschluss wahr. Mit den Worten eines der Schausteller: „Benzini-Brüder? Das war so ziemlich die größte Zirkuskatastrophe aller Zeiten!“
- Beitragsbild © Fox