Die Larry-Crowne-Affäre: Gegenwartsnostalgie und Retro-Romantik gehen in Tom Hanks zweiter Regiearbeit eine unebene Liaison ein.
Das kommt von der ganzen Anti-Diskriminierung. Dauermitarbeiter des Monats Larry Crowne (Tom Hanks) wird entlassen, da er mangels eines College-Abschlusses nicht befördert werden kann und der Betrieb ihn zu diskriminieren fürchtet. Unverzagt sattelt Larry auf eine benzinsparende Vespa und einen Lehrgang in Kommunikation um. Mit Letzterer hapert es ausgerechnet bei Larrys Lehrerin Mercedes Tainot (Julia Roberts), die ihr berufliches Desinteresse und die private Frustration über ihren arbeitsscheuen Ehemann Dean (Bryan Cranston) im Alkohol ertränkt. Diesem Umstand verdankt Larry einen ungelenken Kuss, der Lehrerin und Schüler in emotionale Verwirrung stößt.
Der zweite Film nach That Thing You Do!, in dem Tom Hanks neben der Hauptrolle auch die des Regisseurs und Drehbuchautors spielte, ist ein Feelgood-Movie, das nicht nur die zentrale Begegnung zwischen Larry und Mercedes romantisiert, sondern auch seine unterschwellige Gesellschaftsproblematik. Die Sonderstellung des Titelhelden unter den Protagonisten verkündet sein Name. Sein unscheinbarer Vorname macht Larry zum Prototypen des Kleinen Mannes, der gegenüber seinen Klassenkameraden mit Namen wie B’Ella (Taraji P. Henson) und Lala (Maria Canals-Barrera) Bodenständigkeit, Fleiß und Redlichkeit verkörpert. Die Eigenschaften machen ihn zum perfekten Protagonisten der mit kindlicher Naivität gesponnenen Geschichte vom uramerikanischen Geist und Willen, sich immer wieder aufzurappeln. Mercedes Tainot, die Lehrerin mit dem verführerischen Namen, hat dabei in Sachen Lebenslust am meisten von Larry zu lernen.
In der realen Welt würden Mercedes’ nachlässigen Unterricht wohl nur eine Handvoll Schüler besuchen. Doch der verspielten Komödie bleibt das im Grunde harsche Milieu, in dem sie angesiedelt ist, fremd – sodass sie zur arglosen Karikatur gerät, in der sich sorgenfreie Arbeitslose flotte Vespas leisten. Eine solche legt sich auch Larry zu, auf der Hauptdarsteller Tom Hanks so nonchalant durch die Szenerie im Retro-Chic der 1960er düst wie Regisseur Tom Hanks durch die dem netten Ambiente angepasste Handlung. Der als heimlicher dritter Star neben Roberts und Hanks auf dem Kinoplakat abgebildete Motorroller ist zentrales Requisit des Films, dessen Symbolik eine unbeabsichtigte ironische Konnotation gewinnt.
Dass Larry noch vor Beginn seines Lehrgangs vom Auto auf einen Roller umsteigt, nachdem er an einer Tankstelle den Benzinverbrauch beider vergleichen konnte, etabliert die Vespa als Fahrzeug finanziell Minderbemittelter. Indirekt wird somit materieller Besitz zum Symbol für materiellen Mangel. Diese Zuordnung überdeckt die übergreifende Assoziation des Vespafahrens mit Lebensfreude und Unbeschwertheit, welche die lockere Gute-Laune-Partie auch beim Publikum wecken möchte. Der Titelheld und das nach ihm benannte Loblied auf unermüdliches Streben nach Glück haben davon im wahrsten Sinne mehr als genug. Tatsächlich erscheint die Vespa für Larry und seine Mitschüler als eine Art Statussymbol, das Modernität und Unangepasstheit ausdrückt.
Aus der sicheren Perspektive des gutbürgerlichen weißen Mittelstands, den Larry verkörpert, erscheinen materielle Unsicherheit und uneinheitliche Arbeitsstruktur als spannende Abwechslung zum geregelten Berufsalltag – lustig und turbulent wie eine Tour mit dem Roller anstatt der üblichen Fahrt mit dem Wagen. Wie den Schülern die Vespas dient die Sozialproblematik der Romanze als Vehikel, um mit den aktuellen Themen des zeitgenössischen Kinos mitzuhalten. Dabei kommt auch die Liaison zwischen Larry und Mercedes allzu brav und bieder daher. Romantisches Prickeln stellt sich zwischen den beiden Hauptdarstellern nicht ein.
Ein klein wenig unangepasst versuchen Film wie Figur zu sein. Letztere lässt das Hemd lässig heraushängen, Ersterer seine Krisenthematik. Die Situation des jahrelangen Angestellten, der sich nach der Entlassung auf einem Arbeitsmarkt wiederfindet, für den er zu alt und unzureichend qualifiziert ist, handhabt Hanks ähnlich ungeschickt wie sein Alter Ego auf der Leinwand anfangs die Vespa. Beiden mangelt es an Erfahrung und dem nötigen Feingefühl mit dem Gegenstand, beide legen sich auf die Nase. Der Arbeitslosigkeit, die in der Handlung nahezu belanglos ist, fährt Larry Crowne auf dem Moped davon. Diese wortwörtliche Realitätsflucht unterminiert den filmischen Frohsinn. Dass die Botschaft die vermeintliche Herzensbildung einfacher Gemüter betont, wird zur unfreiwilligen Pointe. Das Leben sei die beste Schule, räsoniert der Titelcharakter zum Schluss. Hanks und Co-Drehbuchautorin Nia Vardalos haben dort offensichtlich nichts gelernt.
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