Mit seiner manischen Mischung aus psychedelischen Pop-Nummern, quietschbunten Charakteren, hyperaktivem Humor und fanatischer Fröhlichkeit landete der erste Kino-Auftritt der Trolls einen – angesichts des hohen Hassfaktors der mit Harmoniestreben und Horror-Haaren eine ganze Generation traumatisierenden Titelfiguren – beachtlichen Kassenerfolg. Das Sequel wollte mehr von allem: mehr Songs (= mehr potenzielle Hits), mehr Protagonisten (= mehr Merchandise), mehr Handlungsfäden (= mehr Spin-offs, mehr Vintage-Referenzen (= mehr potenzielles Erwachsenenpublikum). Kurz: mehr Einnahmen. Entsprechend seelenlos und kalkuliert geriet die Fortsetzung, die das Vintage-Spielzeug rigoros ausbeutete.
Kurioserweise wirkt diese Geschichte von gnadenloser Gewinnmaximierung und einer – auch der Pandemie geschuldete – Pleite wie eine Vorlage für die Story des dritten Teils. Darin entpuppt sich Branch (Justin Timberlake) als ehemaliges jüngstes Mitglied der Familien-Boyband BroZone, dessen Bruder Floyd (Troye Sivan). Von den Schurken-Stars Velvet (Amy Schumer) und Veneer (Andrew Rannells) gekidnappt wurde. Mit Prinzessin Poppy (Anna Kendrick) und Tiny Diamond (Kenan Thompson) geht es zur Familien- und Band-Reunion mit dem Ziel der „perfekten Harmonie“.
Die gibt es natürlich nicht, wenn sich verschiedene Familienmitglieder zusammenraufen, lautet die vorhersehbare Message. Die ist allerdings reichlich verlogen angesichts Walt Dohrns im wörtlichen Sinn (siehe die Botschaft des ersten Teils) zwanghaft fröhlichen Friede-Freude-Eierkuchen-Szenarios. Dafür ist der Geschwisterkonflikt eine generationsübergreifende Problematik, die durch Poppys Wunsch nach einer Schwester auch Einzelkinder ansprechen könnte. Doch das Drehbuch (unter)entwickelt erneut eine harmlose Aussage in eine fragwürdige Richtung. Differenzen werden einfach negiert und Verwandtschaft ist Anlass genug für Versöhnung.
Nach ähnlichem Muster werden die Themen Feindbilder und Familientrauma aufwendig etabliert, nur um sie hastig abzuhaken. Etwas anderes als permanente gute Laune ist in der glitzernd bunten Filmwelt augenscheinlich nicht gewollt. Vielleicht wirken deshalb alle und alles wie auf LSD, was ironischerweise den charakteristischen Charme ausmacht: die surreal schillernde Farbpalette, ekstatischen Effekte und der Kinderzimmer-Kosmos, als der die originellen Kulissen erkennbar sind, bezeugen eine überdrehte visuelle Kreativität in markantem Kontrast zur hohlen Story.
Im hoffentlich letzten Teil der Trolls-Trilogie versucht Walt Dohrn Stärken und Ambitionen der Vorgänger zu vereinen. Handlung und Hintergrund bieten deutlich mehr Referenzen und Gags für ein älteres Publikum, während die kindliche Hauptzielgruppe mit aggressiver Euphorie, Farb-Delirium und Retro-Refrains zugedröhnt wird. Die eindimensionalen Figuren, seichte Story und zwiespältige Botschaft erschlägt komplett das Szenenbild. Jenes immerhin ist so perfekt animiert, dass die wattigen und pelzigen Texturen eine fast haptische Optik erhalten. Das filmische Pendant zum Zuckerkoma.
- OT: Trolls 3
- Director: Walt Dohrn, Tim Heitz
- Screenplay: Elizabeth Tippet, Jonathan Aibel, Glenn Berger
- Country: USA
- Year: 2023
- Running Time: 91 min.
- Cast: Daveed Diggs, Anna Kendrick, Zooey Deschanel, Justin Timberlake, Christopher Mintz-Plasse, Eric André, Kunal Nayyar, Andrew Rannells, Amy Schumer, Zosia Mamet, Kid Cudi, Troye Sivan, Ron Funches, RuPaul, Camila Cabello, Kenan Thompson
- Image © Universal Pictures