Rennwagen-Räder, die über den Asphalt donnern, dienen in Michael Manns brachialem Biopic als Metapher eines mit sich bisweilen buchstäblich überschlagenden Tempo heran rasenden Fortschritts. Doch vor dem Hintergrund der Filmfestspiele in Venedig, wo der Blockbuster im Wettbewerb debütiert, wirken sie mehr wie ein Sinnbild einer die Moderne überrollenden Gestrigkeit. Die schwelgt im Zelebrieren martialischer Männer wie des titanischen Titelhelden (Adam Driver). Deren Egozentrik, Skrupellosigkeit und Korruption werden entweder zu charakterlichen Kontrasten, die dem Persönlichkeitsporträt die nötige Kontur verleihen, oder auf andere Figuren projeziert. Eine ist Enzo Ferraris Frau Laura (hervorragend: Penélope Cruz), deren Status als Geschäftspartnerin dem einer neurotischen Neiderin weicht.
Während sein Unternehmen im Handlungsjahr 1957 in der Krise steckt, beschwert sie sich über seine Geliebte Lina (Shailene Woodley). Beider unehelichen Sohn verleugnet Ferrari vermeintlich aus Trauer um seinen früh verstorbenen ehelichen Sohn. Dieser zum majestätischen Männlichkeitsmerkmal veredelte Verlust legitimiert indirekt Ferraris gewissenlosen Geschäftssinn, wenn er das berüchtigte Mille Miglia Rennen als mörderisches Marketing-Event nutzt. Der in seiner digitalen Perfektion surreale Unfall verrät die visuellen und dramatischen Möglichkeiten der imposanten Ikonographie. Doch deren Regisseur ist so vernarrt in die Automobile und ihr Versprechen von Sex, Macht und Freiheit wie Ferrari: Mann und Maschine, amalgamiert zur Ideal-Inkarnation sexueller, materieller und intellektueller Potenz.
Mit perfektionistischer Präzision inszeniert Michael Mann einen Wettbewerbsfilm mit der scharfkantigen Optik, reaktionären Romantisierung und dem chauvinistischen Charme einer Vintage-Werbung. Darin ist der unnahbare Protagonist, dessen Schöpfungen mit ihren knallroten Karosserien aus der erdigen Farbpalette wie verbotene Verlockungen hervorstechen, die enigmatische Essenz patriarchalischer Tugenden, die mit gottgleichem Genie verschmelzen und jedes menschliche, mediale oder marktwirtschaftliche Hindernis überfahren.
- OT: Ferrari
- Director: Michael Mann
- Screenplay: Michael Mann, Troy Kennedy Martin, Brock Yates
- Country: USA
- Year: 2023
- Running Time: 130 min.
- Cast: Shailene Woodley, Adam Driver, Sarah Gadon, Penélope Cruz, Jack O’Connell, Patrick Dempsey, Valentina Bellè, Gabriel Leone, Massi Furlan, Tommaso Basili, Erik Haugen, Brett Smrz, Peter Arpesella, Lino Musella, Giuseppe Bonifati, Andrea Bruschi
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