Eine Befragung William Friedkins zu seiner konzisen Adaption Herman Wouks gleichnamigen Theaterstücks, seinerseits basierend auf dessen 1951 verfassten Roman. Dessen militaristische Moral, dass die einzig angemessene Antwort auf eskalierende Autorität noch vehementere Autorität sei, spiegelt die disziplinarische Gesinnung der Ära. Ob Friedkins in die Post-9/11-USA verlagertes Gerichtsdrama als Bestätigung (neo)konservativer Dogmen gesehen wird oder deren skeptische Dekonstruktion, ist ohne Kommentar des vor einen Monat vor der Filmpremiere in Venedig verstorbenen Regisseurs eine Interpretationsfrage.
Gerade in dieser Ambiguität liegt die Spannung des dicht getakteten Geschehens, das sich konsequent auf das Gerichtsgebäude beschränkt. Vor dem von Captain Blakely (Lance Reddick) mit eiserner Hand geführten Militärgericht verteidigt Greenwald (Jason Clarke) den der Meuterei gegen den für sein herrisches Wesen bei der Crew verhassten Commander Queeg (Kiefer Sutherland) angeklagten Lieutenant Maryk (Jake Lacy). Der sei „guilty as hell“, urteilt sein Anwalt vor Beginn des Verfahrens, das Greenwalds Urteil in Frage stellt.
Queeg ist ein tyrannischer Hardliner, der Versagensängste mit rigorosem Reglement kompensiert. Aber geisteskrank? Nicht aus Sicht der Psychiaterin, aber der Crew und Maryks. Seine Motive scheinen mehr Revanche und karrieristische Kalkulation als Ethik und hätten in der Gefahrensituation, in der es zu Queegs Machtenthebung kam, tödlich enden können. Straff strukturiert und aufgeladen von Aggressionen verdichtet sich die präzise Prozess-Chronik zu einem Prisma psychologischer, juristischer und ethischer Ambivalenz, das trotz der formellen Nüchternheit den Blick lohnt.
Nach 12 Angry Men liefert William Friedkin mit seinem treffend besetzten letzten Werk erneut ein bühnenbasiertes Gerichtsdrama. Bezeichnend wirkt bereits die Wahl der Vorlage, deren Ära alarmierende politische Parallelen zur Gegenwart zieht. Anders als frühere Verfilmungen verzichtet die mit militärischer Strenge abgehaltene Untersuchung auf eine Dramatisierung der fraglichen Ereignisse. Die Zuschauenden haben nur Zeugenaussagen und einen finalen Affront. Der demarkiert das US-Gerichtssystem als sensationalistisches Schautheater, das nicht Fakten glaubt, sondern der besseren Inszenierung. Wie diese.
- OT: The Caine Mutiny Court-Martial
- Director: William Friedkin
- Screenplay: William Friedkin, Herman Wouk
- Country: USA
- Year: 2023
- Running Time: 109 min.
- Cast: Kiefer Sutherland, Jason Clarke, Jake Lacy, Monica Raymund, Lance Reddick, Lewis Pullman, Elizabeth Anweis, Tom Riley, Francois Battiste, Gabe Kessler, Jay Duplass, Gina Garcia, Stephanie Erb, Dale Dye, Denzel Johnson, Mariah Justice
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