Auf einen flüchtigen Blick scheint Park Chan-wooks schwarzhumorige Status-Satire wie ein weiterer Nachläufer das durch Parasite angestoßenen Eat the Rich Sparte, die unter dem Vorwand Privilegien zu hinterfragen den Klassenneid einer selbstmitleidigen Mittelschicht bedient. Dass der koreanische Regisseur und Drehbuchautor in seiner Adaption Donald E. Westlakes 1997er Romans „The Ax“ stattdessen genau auf diese mörderische Mischung aus Abstiegs-Angst und sozialdarwinistischer Skrupellosigkeit abzielt, kommt als zeitpolitischer Clou seines bitterbösen Klassenkampf-Krimis. Dessen unscheinbarer Protagonist Man-su (ein grandioser Lee Byung-hun) hat das perfekte Leben mit der perfekten Mittelstandsfamilie. Damit das so bleibt, geht der Papierspezialist geht über Leichen.
Vorzugsweise die seiner respektiven Konkurrenten um einen Job in einer Konkurrenzfirma des Betriebs, der ihn nach Jahrzehnten ergebenen Dienstes gefeuert hat. Seine rationale Gattin Miri (brillant: Son Ye-jin) und die Kinder lieben ihn zwar während seiner Job-Suche, doch Man-su will weder das brutalistische Eigenheim, noch die Golden Retriever der Familie aufgeben. Das Gleiche gilt für die zur Gewohnheit gewordenen Luxus-Hobbys. Ohne Tanzstunden, Tennis und Talentförderung für die Kinder sieht der gleichermaßen mitleid- und schreckenerregende Hauptcharakter seine Existenz gescheitert. Also stolpert er durch halbherzige Mordpläne an den Mitbewerbern auf die einzige verfügbare Position in seiner Branche.
Die aberwitzigen Entwicklungen der Killer-Pläne, deren Opfer alle komplexe eigene Geschichten kriegen, offenbaren mit diabolischem Witz die aberwitzigen Auswüchse eines Milieus, das männliche Würde mit Erwerbsarbeit gleichsetzt. Jedes Attentat wird zur slapstickhaften Miniatur, visuell perfektioniert durch Ryu Seong-hies exzentrisches Produktionsdesign und Kim Woo-hyungs präzise Kameraarbeit. Man-su kämpft nicht gegen Armut, sondern gegen den Abstieg in eine niedrigere Steuerklasse und gesellschaftlichen Gesichtsverlust. Damit wird er zum rabiaten Repräsentanten einer gehobenen Mittelschicht, die sich als Arbeiterklasse oder gar Unterschicht verkennt. Zugleich ist er gefangen in einem alternativlosen System, das Rücksichtslosigkeit legitimiert und Egoismus belohnt.
Während er sich immer tiefer in Gewalt und Selbsttäuschung verstrickt, schwenkt der Handlungsfokus dezent um auf die Kinder und Miri. Mit stoischer Vernunft stellt sie sich den Entscheidungen, die ihr Mann verdrängt, und verweist dadurch subtil auf den patriarchalischen Nährboden eines Klassen-Kosmos, der Selbstwertgefühl untrennbar an ökonomischen Status knüpft. Ihre Impulse enthüllen den absurden Absolutismus, mit dem eine mittelständische Generation von Festangestellten Identität und Beruf verknüpft. Die verheerend ironische Schlusseinstellung lässt das Lachen im Hals ersticken – und kommt mit der unbehaglichen Erkenntnis, dass der grandiose Wahnsinn auf der Leinwand nur ein Schatten der Realität ist.
Nach Costa-Gravas frühem Versuch liefert Park Chan-wook die ultimative Adaption Donald E. Westlakes bissiger Business-Satire. Verlegt in die Hierarchien der koreanischen Firmenwelt, entwickelt sich die kriminologische Kapitalismus-Kritik zur grell-satirischen Studie über Selbstwert, Statusangst und ethische Eskalation. Die elegante Kulisse ist dabei ebenso reich an makaberen Details wie das Szenario an vielschichtigen Verweisen. Schauspielerisch und szenisch getrieben von chaotischer Brillanz, offenbart die scharfsichtige Abrechnung mit einem wahrhaftigen Raubtier-Kapitalismus die moralischen Abgründe des Großbürgertums. Die traditionelle Kernfamilie ist in der doppelbödigen Mischung aus Suspense und Sarkasmus nicht Grundlage sozialstruktureller Stabilität, sondern kriminelle Keimzelle.
- OT: Eojjeol Suga Eopda
- Director: Park Chan-wook
- Year: 2025