Politik, Persönliches und Pop-Kultur arrangiert Lana Daher zu einer charismatischen Collage Beiruts und einem Panorama dessen bewegter Geschichte. Selbige evozierte die libanesische Regisseurin mittels eines fragmentierten Fundus an Archivmaterial, privaten Aufzeichnungen und medialen Zeitzeugnissen. Als vollständig auf Archivmaterial basierendes Werk baut ihre emotional aufgeladene Annäherung an die Metropole auf Filmszenen, TV-Nachrichten, Zeitungsartikeln, Magazin-Ausschnitten, Postkarten, Fotos, Privat-Videos, Folk- und Pop-Songs und Tonbandaufnahmen. Der schiere Reichtum a Material und dessen unterschiedliche Variationen erzeugen visuelle Dynamik und atmosphärische Spannung.
Der historische Kontext wird in dem schillernden Patch-Work-Panorama bisweilen Nebensache. Die impulsive Inszenierung verzichtet auf einen erklärenden Hintergrundkommentar und einordnenden Texte zugunsten selektiver Einblicke, die nationale Großereignisse mit individuellen Anekdoten verknüpfen. Dieser scheinbar willkürliche Wechsel verwurzelt das Politische und Strukturelle nachhaltig in einer greifbaren Lebensrealität. Die Bevölkerung der Stadt, deren historische, soziale und politische Brüche in einer Handvoll gelungener Momente sowohl sichtbar als auch spürbar gemacht werden, ist somit nicht nur ein Abstraktum, sondern menschlich wahrnehmbar.
Die personalisierte Erinnerungsreise, die zugleich ein kollektives Gedächtnis rekonstruieren will, ringt indes sichtlich mit der Menge an narrativem und ästhetischem Rohstoff sowie der Gewichtung von privatem und historischem Schwerpunkt. Der medienarchäologische Ansatz schwankt zwischen sachlicher Klarheit und sentimentaler Trivialität. Die wechselhafte Qualität der Bilderflut wird im Idealfall zur haptischen Metapher der geschichtlichen Narben und soziologischen Spannungen des Schauplatzes, den immer wieder Explosionen erfassen. Traumata und Erschütterungen scheinen hier nur ein weiterer Schwung im musikalischen Rhythmischen.
In bewusst dissonanter Optik montierte Lana Daher einen überquellenden Schatz archivarischer Zeugnisse zu einer energetischen, mitunter konfusen Prisma der Geschichte Beiruts. Körnige 16mm-Aufnahmen stehen neben VHS-Ästhetik, gestochen scharfe Fotografien neben verwitterten Zeitungsausschnitten aus Nachrichtensendungen. Texturen und Zeitspuren überschreiben lineare Erzählungen und schaffen so ein filmisches Palimpsest, das Aufbruch und Zerfall, Euphorie und Schrecken nebeneinander stellt. Die zentrale Frage des libanesischen Selbstverständnisses wird beständig umkreist, doch nie angegangen. Was bleibt, ist mehr filmästhetische Geste als politischer Akt.
- OT: Do You Love Me
- Director: Lana Daher
- Year: 2025