Ein Biopic über Anjezë Gonxhe Bojaxhiu, besser bekannt unter dem medienwirksamen Namen Mutter Teresa, erwartet man in einer aufgeklärten Moderne mit freiem Informationszugang als das genaue Gegenteil einer weiteren hegemonialen Hagiographie. Doch genau eine solche präsentiert Teona Struggler Mitevska in Venedig, auf einem Festival mit bedenklichem Faible für reaktionäre, revisionistische und rechts-konservative Narrative. Von denen strotzt die klerikale Chronik einer entscheidenden Woche im Leben der Titelfigur, verkörpert von einer energischen Noomi Rapace. Die 1910 in Skopje geborene Ordensmutter in Kalkutta wartet im Handlungsjahr 1950 begierig auf die kirchliche Genehmigung, ihrer vermeintlichen Berufungen zu folgen.
Jenen göttlichen Auftrag sieht sie in der Gründung eines eigenen Ordens. Dass dessen Zweck in erster Linie die christliche Missionierung Kalkuttas überwiegend muslimischer Bevölkerung war – eine Mission, die Mutter Teresa so ernst nahm, dass sie Muslime gegen deren Willen zwangstaufte und ihre „Barmherzigkeit“ von christlicher Konvertierung abhängig machte – wird verschwiegen. Genauso der Umstand, dass sie als institutioneller Wurmfortsatz der Kolonialherrschaft von dem durch jene verursachten Elend karrieristisch profitierte. Die Regisseurin und Drehbuchautorin, die mit ihrer Protagonistin nicht nur den Geburtsort teilt, sondern den in ihrem filmischen Schaffen evidenten Glaubenseifer, hat keinerlei Ambitionen zu einem authentischen Porträt Mutter Teresas.
Letzte sei „eine Mutter für Millionen gewesen“, verkündet der Regiekommentar Mitevskas, die über die umstrittene Heilige bereits die tendenziöse Doku Teresa and I drehte. Dass sie alles andere als eine Frauenrechtlerin war beweist ihre kategorische Verdammnis von Abtreibung. Jene macht der in Tageskapitel unterteilte Plot taktisch klug zum Thema, wobei er Teresa zur widerwilligen Komplizin einer solchen macht. Ähnlich widerwärtig, aber unbestreitbar geschickt lanciert ist die Darstellung ihrer implizit romantischen Gefühle für die jüngere Ordensschwester Agnieszka (Sylvia Hoeks) als zersetzend, während Teresas innige Neigung zum Priester Pater Friedrich (Nikola Ristanovski) stärkend erscheinen.
Ähnlich parteiisch geteilt ist auch die Abbildung der indischen Bevölkerung – mit Ausnahme eines ganz an westliche Sitten assimiliertes Elite-Ehepaares – als schmutzig, hilflos, lüstern und vulgär, während der fast ausschließlich weiße Glaubensorden zivilisierte Ordnung und Humanismus repräsentiert. Bei aller proselytischen Perversion sind nicht wenige Szenen auch grotesk komisch. So erklärt Teresa einer Schulklasse, dass Skopje ihr Geburtsort sei – und schließt dann die Stunde, als wären alle wichtigen Informationen damit vermittelt. Diese faktische Reduktion und Selektion kombiniert mit freier Erfindung rahmen harte Schnitte, christlicher Heavy Metal und pietistischer Pathos als postmodern provokant. Unter dem Label verkauft sich Bigotterie immer besonders gut.
Teona Struggler Mitevskas lange geplantes Biopic interpretiert Mutter Teresa angeblich als „rebellische Post-Punk-Figur im Kampf gegen die Strukturen der katholischen Kirche.“ Den bestritt die reale Teresa tatsächlich, allerdings nur dort, wo und solange, wie sie selbst unmittelbar davon profitierte. Die verstiegene Mixtur aus Heiligenvita, historischer Verzerrung und abergläubischer Hysterie tarnt ihren dumpfen Reaktionismus und Klerikalismus mit christlicher Rock-Musik („we rock Halleluja!“) und dem Nimbus der mit Noomi Rapaces Schauspielkarriere assoziierten Rebellenfiguren. Das restaurative Resultat schwankt formal zwischen Aberwitz und Archaik, inhaltlich zwischen Götzendienst und Geschichtsmelodrama. Relevant ist das durchaus; nicht filmisch, sondern als politisches Barometer.
- OT: Mother
- Director: Teona Struggler Mitevska
- Year: 2025