Der Titel Gastón Solnickis mokanter Meditation über Abschied, Auflösung und Alltag bezieht sich weniger auf die überschaubaren Übersetzungsfähigkeiten des Titelcharakters – dem von Willem Dafoe kongenial verkörperte Hotelmanager Lucius Glantz – als auf das namensähnliche Gebäck. Ein solches wölbt sich in der Eröffnungsszene des Mosaiks tragikomischer Momentaufnahmen verheißungsvoll im Ofen der Hotelküche, nur um bei der Kostprobe kümmerlich in sich zusammenzusacken. Selbst der gutwilligen Glantz kapituliert: „I can’t eat this“. Ähnliche Resignation trotz bestem Willem weckt Solnickis verschrobene Studie von Vergänglichkeit, Vergessen und Verlust.
Darin wird das Soufflé, für das der reale Schauplatz des Wiener Intercontinental Hotels einst berühmt war, zum skurrilen Symbol des Baumwerks und seines Managers. Lucius und der marode Prachtbau, vor Jahrzehnten als Gipfel europäischer Luxusarchitektur angesehenen, sind beide auf ihre Art altmodische Originale: kompliziert und raffiniert, doch von eigentümlicher Instabilität. Ihre kosmopolite Aura zeigt deutliche Verfallsspuren. Das Hotel mit seinen vergilbten Tapeten, betagtem Interieur und dem verwitterten Dachschriftzug und sein Faktotum, das ihm Jahrzehnte seines Lebens widmete, sind jenseits jeder Restauration.
Das weiß auch der neue argentinische Investor Facundo Ordoñez (gespielt von Solnicki selbst). Dessen Übernahme betrachtet Lucius als existenziellen Angriff auf seine mit dem Betrieb untrennbar verbundene Identität und Existenz. An seiner Seite bleibt Tochter Lilly (Lilly Lindner), während er vergebens in den Fluren, Küchen und Dachböden des Hauses nach Halt sucht. Lose arrangierte Vignetten kontrastieren Archivbilder des Gebäudes mit seinem heutigen Zustand. Kameramann Rui Poças Streifzüge über Stadtpark, Tennisplatz und Eislaufbahn finden auch jenseits der Mauern Orte zwischen touristischer Verklärung und müdem Sentiment.
Der semi-dokumentarische Ansatz improvisierter Interaktion hebt die geruhsame Inszenierung aus dem klassischen Narrativ, schafft indes mehr Distanz als Nähe. Szenen von entrückter Beiläufigkeit folgen ihrem eigenen Rhythmus, dessen hypnotische Langsamkeit mangels Ereignissen und Abwechslung einschläfert. Die prominente Speise liefert mit ihrer Mischung aus Leichtigkeit und Flüchtigkeit eine passende Metapher für Qualitäten und Schwächen der historiographischen Hommage: Man wartet ewig auf etwas Besonderes und kriegt viel heiße Luft. Dennoch lohnt der nostalgische Nachruf das Ansehen – und sei es nur für Willem Dafoes Eislaufbahn-Rap.
Mit seinem Beitrag zur Horizons-Sektion der Filmfestspiele von Venedig zeichnet Gastón Solnicki ein impressionistisches Porträt von Verlust, Routine und Ritualen. Mit gerade78 Minuten Laufzeit zugleich überdehnt und unterentwickelt, entsteht weder eine schlüssige Parabel, noch kohärente Themen und zielgeführte Handlung. Alles wirkt geisterhaft und gewesen, nichts gegenwärtig. Dennoch schleicht sich in die filmische Verstrickung surrealer Noten und dokumentarischer Ansichten ein kurioser Zauber, getragen von einer eindrücklichen Performance Willem Dafoes und dem fragilen Charme improvisierter Realität. Verstaubte Noblesse trifft auf flüchtige Konsistenz.
- OT: The Souffleur
- Director: Gastón Solnicki
- Year: 2025