Ross McElwee selbst war schon immer der Lieblingsfokus seiner Dokumentarwerke, deren bekanntest in konzentrischen Kreisen um ihn selbst rotieren. Dieser thematischen Tradition, die eigene Person direkt oder indirekt in den Mittelpunkt zu rücken, folgt auch sein jüngstes Werk. Dessen Titel wird zum unbeabsichtigten Verweis nicht nur auf diese Neuaufbereitung des Bekannten in variierter Form, sondern auf die konstruierte Natur dramatisierter Fakten. Deren markantester und narrativ effektivster ist der Tod McElwees Sohnes Adrian an einer Fentanyl-Überdosis. Alte Heimvideos dienen als filmische Fundgrube performativer Trauer und Verlustinszenierung.
Eine solche ist die zutiefst zwiespältige Collage aus privaten Filmaufnahmen, die McElwee von seinem Sohn seit dessen frühster Kindheit machte, in doppeltem Sinne. Adrians Tod, dessen konkrete Hintergründe und Ursache sind nicht Teil seiner eigenen tragisch kurzen Biographie, sondern Teil der Biographie seines Vaters. Dessen Erleben des Ereignisses und der seismischen Veränderung definieren nicht allein das familiäre Narrativ, sondern auch Adrian. Die Kollektion privater Momente zeigt den Heranwachsenden als Kleinkind, Grundschüler, Teenager und jungen Erwachsenen immer in der Rolle des Sohnes.
In auffälligem Kontrast dazu gibt der Regisseur sich selbst ein vielseitiges Charakterbild. Er ist Filmemacher, Künstler, Chronist, Ehepartner und scheinbar Subjekt unablässiger Bewunderung seitens seines Sohnes. Der wird zum austauschbaren Ideal des perfekten Sohnes: fröhliches Baby, frühtalentiertes Kleinkind, intelligenter Schüler und tragischer Teenager diagnostiziert mit „bipolarer Persönlichkeitsstörung“. Das umstrittene Konstrukt, dessen diffuse Definition und die vielseitige Kritik am DSM finden so wenig Beachtung wie Adrians eigene Position zu seinem Befinden. Die Diagnose wird zur Selbstlegitimation des familiären Kontexts. Alles, was schiefging, war die Krankheit.
Familiäre Faktoren der Substanzabhängigkeit bleiben kategorisch ausgeschlossen. Selbst der scheinbare Wechsel der Perspektive zu der Adrians, dessen selbst gedrehtes Filmmaterial einen Teil der Inszenierung einnimmt, ist nur formaler Natur. Es ist weiterhin McElwee, der auswählt, einfügt und entscheidet, dass Adrians filmischer Nachlass in diesem Kontext der Öffentlichkeit vorgeführt wird. Das augenscheinlich beidseitige Faible für Filme wird zu einem weiteren Anknüpfungspunkt und macht Adrian nahezu zu einer Erweiterung seines Vaters. Dessen kreativen Nimbus füttert die antizipierte Anteilnahme und Status als tragische Vaterfigur, deren Trauer gekonnt stilisiert wird.
In einem der direkt an seinen verstorbenen Sohn gerichteten Off-Sätze nennt Ross McElwee als Motivation seines filmischen Familienromans “to convince myself that you were alive“. Auch für das Kinopublikum bleibt diese reale Existenz schwer fassbar. Die idealisierte Inszenierung macht den Verstorbenen mit seinen zahlreichen Qualitäten und tragischen Schwächen so artifiziell wie einen Charakter in einem Familien-Drama. Auch ohne gestellte Szenen lässt geübte Dramatisierung die Grenze zwischen Fakt und Fiktion verschwimmen. Selbstbespiegelung präsentiert sich als schmerzliche Reflexion und erhebt Trauer zum Sujet eines persönlichen Kinodramas.
- OT: Remake
- Director: Ross McElwee
- Year: 2025