Analytische Apokalypse: In seinem vernachlässigten Beitrag zum Genre des satanischen Horrorfilms entwirft John Carpenter eine wissenschaftliche Vision des Bösen.
„Dies ist kein Traum.“ Die Worte hört Brian im Schlaf, doch die monotone Stimme, die sie aufsagt, lügt nicht. Ob die grausige Szene, die vor seinem inneren Auge ersteht, real ist oder nicht, ist gleichgültig. Dies ist kein Traum. Es ist ein Albtraum: Ein Albtraum in einem Albtraum. Das Verschachteln dramaturgischer und cineastischer Nachtmahre in Prince of Darkness ist John Carpenters düstere Interpretation des Verses Edgar Allen Poes, den er schon The Fog vorangestellt hatte: „Is all that we see or seem / But a dream within a dream?“
Gleich dem Physikstudenten Brian (Jameson Parker) findet der Zuschauer keine Antwort. Die Frage ist nicht philosophisch, sondern rhetorisch. Bewusst lässt Carpenter die Kernfrage und den Ausgang seines Films offen. In dem in sich geschlossenen Handlungskreislauf existiert kein Ende. Der okkulte Horror ist eine filmische Exkursion in die Abgründe der Unendlichkeit: des Universums und des Bösen, die nicht verbunden, sondern als Einheit auftreten. Er lebe in den kleinsten Teilen, in der Summe aller Teile, in allem, sagt Pater Loomis (Donald Pleasence) den Studenten, die Professor Howard Birack (Victor Wong) in einer alten Kirche versammelt hat. Das Böse ist das Universum. Das Universum ist böse. Dies ist die einzige Gewissheit, die Brian und die anderen finden, die in der Glaubensstätte ein uraltes Gefäß mit einer unbekannten Flüssigkeit erforschen. Mit wissenschaftlichen Instrumenten und Messgeräten beginnt die Katalogisierung dessen, was Pater Loomis den Anti-Gott nennt.
Dieser Anti-Gott hat viele Namen: Teufel, Satan, Herr der Fliegen. Fliegen und Maden scharen sich um die Kirchenmauern, begleitet von menschlichem Gewürm; den Obdachlosen und Aussätzigen der Gesellschaft. Die Ahnung von unausweichlichem Verderben beherrscht die okkulte Horrorstudie mit dem ersten Insekt, das vor dem heruntergekommenen Kirchengebäude kriecht. Weder vom Heiligen Geist noch vom Gott Plutonium würden sie gerettet werden, verkündet den Protagonisten die Wesenheit, die von einem nach dem anderen Besitz ergreift. Die Worte erscheinen auf einem Computerbildschirm, nur scheinbar getippt von Brians Freundin Catherine (Lisa Blount), deren Fingerbewegungen nicht zum Text passen. Die Szene ist eine höhnische Machtdemonstration des Anti-Gottes über Technik und Physis zugleich, die mit seiner Selbstabsolution auf dem Bildschirm endet. „Ich lebe.“
Die Gruppenmitglieder werden Belagerte, geplagt vom gleichen bizarren Traum. Unscharfe Videoaufnahmen einer bedrohlichen Gestalt bezeichnet eine Stimme als reale Zukunftsbilder, die verhindert werden sollen. Die Traumbotschaft bündelt den Fatalismus, der die Atmosphäre unentrinnbaren Grauens kreiert, und sie folgt dabei der Logik des Absurden: Die Nachricht warnt vor Zukünftigem, das ohne sie nicht verhindert werden könnte – doch wenn es verhindert würde, würde die Nachricht nie gesendet werden. Das Dokumentierte würde sich also ereignen, die Nachricht gesendet werden, das Bevorstehende vermieden werden …
Die Überschneidung von Raum-Zeit-Gefüge gleicht einem Perpetuum mobile, dessen Lauf unaufhaltsam die eigene Umdrehung bewirkt. Die Protagonisten stecken wortwörtlich in einem Teufelskreis. In der Videobotschaft kristallisieren sich zwei gleichermaßen beängstigende Schemen heraus: der „sture Glaube an logischen Verstand“, vor dem Pater Loomis warnt, und die menschenähnliche Gestalt des Antichrist, dessen Betrug laut Loomis durch Logikglauben ermöglicht werde. In dem filmischen Dreigestirn aus The Thing, In the Mouth of Madness und Prince of Darkness ist Letzterer Zentrum und düsterer Fixstern. Die sich über 13 Jahre erstreckende Konstellation bezeichnet Carpenter selbst als „Trilogie der Apokalypse“. Jeden Teil inszeniert er in einem anderen essenziellen Seinsbereich. In Das Ding aus einer anderen Welt ist es die Vernichtung des Körpers, welche die Auslöschung des Verstandes in Die Mächte des Wahnsinns spiegelt. Die Fürsten der Dunkelheit zeigt die Vernichtung des Glaubens durch die Technologisierung des Metaphysischen. Messias und Antichrist sind Energieformen, deren wissenschaftliche Beweisbarkeit Religion sinnlos macht.
Auf der Ebene des Subatomaren blieben von Logik nur Geister und Schatten, lehrt Professor Birack seine Schüler. Der Sentenz folgt die Wiederholung von Brians Traumerlebnis am Ende. Brians zum Spiegel ausgestreckte Hand, die sich seinem Gegenstück – einem Anti-Brian – nähert, symbolisiert seinen Griff nach dem Transzendentalen. Bevor die Berührung die Verbindung von Endlichkeit und Unendlichkeit vollendet, beschließt Carpenter sein unterschätztes Gruselwerk von Ratio und Religion, das die Apokalypse auf einem PC-Bildschirm prophezeit.
- Beitragsbild © Universal