Nur vereinzelt hallen Worte durch das schwarz-weiße Szenario David Bims fesselnden Dokumentarfilm-Debüts. Doch die hypnotische Bildsprache des surrealen Szenarios braucht kaum Worte für seine brutale Botschaft. Die erste Szene des existenzialistischen Epos, dessen zwei Kapitel einander spiegelgleich gegenüberstehen, wirft das Publikum in die spukhafte Sumpflandschaft des kubanischen Titelorts. Durch die bedrohliche Kulisse schleppt der gealterte Protagonist, dessen Namen nur der Titeltext des ersten Kapitels verrät, ein totes Krokodil. Die sich minutenlang hinziehende Aufnahme macht die enorme Anstrengung des Unterfangen packend unmittelbar.
Landi schleppt das Reptil zu seinem Zeltlager, dass er sich mit einem zahmen Nager teilt. Sein nebenher laufendes Radio gibt den spärlichen logistischen Kontext. Es ist 2020 inmitten der Covid-19 Pandemie, deren Risiken für die Charaktere indes nicht annähernd so dramatisch sind wie Armut und Hunger. Sie treiben Landi schon am nächsten Morgen wieder zu seinem sargartigen Holzboot in die Sümpfe, wo er Krokodile jagt. Die Kamera fixiert gebannt seinen ausgemergelten Körper, als er eines mit bloßen Händen aus einer Wasserfalle windet.
Das zweite Kapitel zeigt den Hintergrund dieser pragmatischen Verachtung der offensichtlichen Gefahren. Auch „Mercedes“ – so der Titel – trägt schwer, nämlich beider jungen Sohn. Der körperlich und mental beeinträchtigte Junge braucht ständige Fürsorge. Wenn sie sich nicht um ihn und alle anderen Aufgaben in der kargen Behausung kümmert, nickt sie einen Augenblick auf dem Steinboden ein. Flüchtige Momente von Spiel und Zuneigung sind ein spärlicher Trost in diesem harten Leben, das tiefe Spuren in den verhärmten Gesichter des Elternpaares hinterlassen hat.
Bim findet eine stille Würde und bemerkenswerte Kraft in diesen von unendlicher Erschöpfung gezeichneten Menschen. Seine zurückhaltenden Aufnahmen schaffen eine bemerkenswerte Intimität, ohne in Elendsvoyeurismus abzudriften. In dem monochromen Minimalismus der Bilder liegt eine zaghafte Poesie, die dem üblichen Armutskitsch unerbittlichen Realismus entgegensetzt. Abgesehen von den beiden titelgebenden Namenstafeln erschließt sich alles Wissen über Situation und Beziehung dieser Menschen aus den Bildern, Nachrichtenbruchstücken und Konversationsfetzen. Der radikale Verzicht auf Exposition und weiteren Kontext destilliert die humanistische Essenz des alltäglichen Existenzkampfs.
Der Lockdown zwang David Bim, sein dokumentarisches Langfilm-Debüt im Alleingang durchzuziehen. Jene filmischen Herausforderungen sind unterschwellig in den harschen Aufnahmen spürbar und potenzieren deren lebensechte Intensität. Das Chiaroscuro gibt den scharfgestochenen Szenen die erhabene Aura klassischer Gemälde, in denen jedes Detail unwillkürlich allegorische Tiefe gewinnt. Eine stumme Träne weist auf die düsteren Zukunftsaussichten dieser strukturell, ökonomisch und lokal an den äußersten Rand der autoritär-bürokratischen Gesellschaft gedrängten Familie. Deren bittere Realität würdigt ein dokumentarisches Poem von seltener atmosphärischer Dichte und Unmittelbarkeit.
- OT: Al oeste, en Zapata
- Director: David Bim
- Screenplay: David Bim
- Year: 2025
- Distribution | Production © Square Eyes