Hunderte Berufstätige in den Metros, geschäftige Straßen, belebte Sport-Events, volle Bars: Die Alltagsszenen, die Kaspar Astrup Schröders dokumentarisches Zeitbild eröffnen, zeigen eine scheinbar kontaktfreudige Gesellschaft. Doch die Realität ist laut den Nachrichten-Ausschnitten und Statistiken, die den thematischen Kontext etablieren, eine andere. “Loneliness is a social challenge right now, particularly in Japan.“ Dort findet der Regisseur auch die drei Betroffenen, die er mit der Kamera begleitet. Masato, Shoko und Yumi leiden seit langem unter ihrer Einsamkeit und suchen nach professioneller Unterstützung.
Jene kommt in Form einer NGO, die einsamen Menschen über eine 24-Stunden-Telefonberatung Wege aus der Isolation aufzuzeigen verspricht. Koki Ozara ist Gründer dieses Hilfs-Chats, den die drei Filmfiguren anrufen. Der 45-jährige Handelskaufmann Masato und die arbeitslose 38-jährige Yumi kriegen erstmal nur die Besetzt-Meldung. Laut wissenschaftlicher Studien fühle sich 40 Prozent der Gesellschaft einsam. Bei den unter 40-Jährigen ist es die Hälfte. Szenen der unter Hochdruck in die Tasten hauenden Angestellten. Ist unter solchem Stress eine persönliche Psycho-Beratung überhaupt möglich?
Die rasanten Fortschritte, die Shoko und bald auch Yumi dank ein paar emphatischer Zeilen und pragmatischer Tipps machen, suggerieren es jedenfalls. Masato sucht mit tierischer Gesellschaft seinen Weg aus der Vereinsamung. Die Lebenseinblicke des Figuren-Trios sind trotz ihrer Flüchtigkeit anrührende und sozialpolitische Details wie das 2021 eignes installierte Ministerium für Einsamkeit vermitteln eine authentischen Eindruck der Dringlichkeit dieses Gesellschaftsproblems. Dessen Ursachen werden indes ebenso vernachlässigt wie die Risiken des vorschnell zum Allheilmittel verklärten Lösungsansatzes. Lebensfreude ist nur einen Chat entfernt.
Als ‚Paradox unserer modernen Welt‘ definiert Kaspar Astrup Schröders Sozial-Doku die Einsamkeits-Epidemie, die seine drei Protagonist*innen erfasst hat. Trotz digitaler Verbindungen würden soziale Kontakte schwinden. Belege dieser Hypothese fehlen. Waren die Leute vor 200 Jahren tatsächlich weniger einsam? Wie wird ein so persönliches Phänomen wie Einsamkeit statistisch erfasst? Welche Rolle spielen kulturelle, familiäre und ökonomische Faktoren? Lindert Womöglich die Gesellschaft des Filmteams das Leid der Betroffenen? Trotz produktiver Ansätze holt die undifferenzierte Inszenierung letztlich wenig aus der zeitaktuellen Thematik.
- OT: Dear Tomorrow
- Director: Kaspar Astrup Schröder
- Screenplay: Kaspar Astrup Schröder
- Year: 2025
- Distribution | Production © Good Company Pictures