Mag sein, dass Michael Almereydas und Courtney Stephens‘ dokumentarischer Cocktail aus Persönlichkeitsportrait und Zeitabriss etwas zu vernarrt in sein schräges Subjekt ist. Doch das ist verzeihlich. Immerhin handelt es sich bei diesem Subjekt um John C. Lilly. Für alle, die den Namen noch nie gehört haben: John Cunningham Lilly wurde 1915 in Minnesota. Sein Vater war Bank-Präsident, seine Mutter Unternehmenserbin; mit anderen Worten: Die Lillys schwammen im Geld, was maßgeblich dazu betrug, dass ihr Sohn seine eigenwilligen Ideen weitgehend unbeeinträchtigt umsetzen konnte.
Die langlebigsten dieser Ideen drehten sich um zwei Sachen, für die sich fast jeder irgendwann im Leben begeistert: Delphine und Drogen. Letzte waren vor vorrangig und vorwiegend LSD. Es ist nicht ganz klar, ob Lilly sehr viel LSD nahm, um mit Delphinen sprechen zu können, oder dachte, er könne mit Delphinen sprechen, weil er sehr viel LSD genommen hatte. Fakt ist, er war von den Meeressäugern und Albert Hoffmanns Entdeckung fasziniert und suchte nach einer Verbindung von beidem. Best of both worlds.
Das war natürlich nicht alles in Lillys Leben, das Chloë Sevigny mit einem subtilen Touch Ironie erzählt. Nicht alles Ideen des als Wunderkind bekannten Chemie-Talents waren von Genie durchtränkt. Um einen Anfall „nervöser Erschöpfung“ zu lindern, nahm er Anfang Zwanzig einen Försterei-Job an und hakte sich in den Fuß. Niemand weiß, ob chemische Substanzen im Spiel waren. Jedenfalls inspirierte die Trauma-Therapie Lilly, Mediziner zu werden. Überhaupt ließ sich Lilly viel inspirieren, so auch von Aldous Huxleys Brave New World dazu, Neuropsychologie zu studieren.
Das klingt gesundheitsbewusst, aber tatsächlich unterzog sich Lilly sein ganzes Leben lang riskanten Selbstexperimenten. Er flutete die Hälfte seines Strandlabors, um es in eine Begegnungsstätte von Delphinen und Menschen umzugestalten. Er war Mitglied der Forschergruppe „Order of the Dolphin“, die nach außerirdischem Leben suchte. Er entwickelte einen gigantischen Wassertank, in dem er selbst oder wer immer wollte in sensorischer Isolation treiben konnte. Sein Leben wurde 1969 in The Day of the Dolphin verfilmt. Aber Almereyda und Stephens machen das mit ihrer chaotischen Collage besser.
Unmengen teils ungezeigten Archivmaterials, Privatvideos, Fotos, Originaldokumente, Tonbandaufnahmen und Filmausschnitte arrangieren Courtney Stephen und Michael Almeryda zu einem knalligen Kino-Trip. Dessen schillernder Hauptcharakter erscheint als Prototyp des exzentrischen Wissenschaftlers und Inkarnation eines idiosynkratischere Zeitgeistes. Zwar ist die dynamische Komposition formal Simple gestrickt, doch mit Chloë Sevigny als Sprecherin und zahlreichen interessanten Zeitgenossen und Fachkundiger als Talking Heads tut dies dem Unterhaltungswert kaum Abbruch. Fraglich ist einzig die Vernachlässigung des Tierwohl-Aspekts und die mangelnde Reflexion der vielschichtigen Privilegien, die John C. Lillys Œvre stützten.
- OT: John Lilly and the Earth Coincidence Control Office
- Director: Michael Almereyda & Courtney Stephens
- Screenplay: Michael Almereyda & Courtney Stephens
- Year: 2025
- Distribution | Production © Taylor Hess