Überall sind die Strukturen schon da. Überall sind alternative Lösungen da. Das jedenfalls glaubt der König von Deutschland. Sein Gefolge, das mit ihm am Tisch sitzt, darf ihn einfach Peter nennen. Peter der I. oder Peter Menschensohn, wie ihn manche Landkreise angeblich schon anschreiben, ist zuversichtlich, dass es bald ein Gerichtsverfahren geben wird. Nicht um ihn als geistig leicht verwirrt zu entmündigen. Das Verfahren auf das seine Gefolgsleute und er hoffen, ist das zur Anerkennung ihres Nationalkonstrukts: das Deutsche Reich.
Peter und die übrigen Protagonisten, die Johannes Büttner und Julian Vogel in ihrem observativen Gruppenporträt begleiten, sind Reichsbürger. So fasst es ein Kurztext für das internationale Publikum des Visions du Réel Filmfestivals, wo Büttners und Vogels Werk Premiere feiert, zusammen. Die Überzeugung dieser Soldaten des Lichts, wie sie einer der Reichsbürger nennt, ist ein wirrer Mix aus Christentum, Esoterik, Rechtsextremismus und Veganismus. Selbstheilung, Saftkuren, Satan ist real und die Erde eine Scheibe. Die Revolution ist laut Peter schon vorbereitet: Bankensystem, Geldsystem, Marktsystem, Rechtssystem, Verfassung, Gesundheitssystem …
“Jetzt ist es nur noch an uns, das richtig groß zu machen.“ Die Ansätze dafür zeigt das Regie-Duo in ruhigen, stets fokussierten Alltagsaufnahmen. Jene sind bewusst neutral gehalten. Es gibt keinen Soundtrack, keine vordergründigen Stilmittel oder einen Hintergrundkommentar. Die Atmosphäre ist betont nüchtern. Nichts, was die Stimmung lenken könnte. Das Weltbild der vorgestellten Reichsbürger ist dagegen rigoros unilateral: „Wir sind der Staat – das ist das Besatzungskonstrukt. Wir sind die Wahrheit – das ist die Lüge.“ Solche Szenen sollen für sich sprechen. Doch was differenziert Zuschauende kritisch sehen, kann empfängliche Gemüter auch anlocken.
Ein Beispiel ist David Ekwe-Ebobissé alias „Mister Raw“, der mit seiner Gesundheitslehre aus Fitness, Veganismus und Esoterik tausende Follower anzieht. Einer ist Timo, der an Psychosen leidet und für David arbeitet. Statt Gehalt gibt es Davids Coaching, dass prompt die Heilung bringt. Das jedenfalls verkündet David via TikTok. Mit seinem veganen Fitness-Fanatismus, euphorischen Größenwahn und Verschwörungslehren wirkt er wie ein Wiedergänger Attila Hildmanns. Dessen damalige Reichweite hat er zwar nicht, doch sein Geschäftsmodell rentiert sich. Auch, weil manche nicht realisieren, in welche Richtung seine Fitness-Esoterik geht.
Daran werden Büttner und Vogel wenig ändern. Zwar tauchen Ekwe-Ebobissés Bistro „Rohkosteria“ und sein YouTube-Kanal auf, doch deren Instrumentalisierung zur Mitglieder-Akquise und ideologischen Propaganda wird nie durchleuchtet. Wie abstruses Gesundheitsgeschwafel als softer Einstieg in die rechte Szene dient, erschließt sich nur in Ansätzen. Die potenziell fatalen Auswirkungen auf psychisch labile Gemüter macht Timos Schicksal bedrückend deutlich. Der Mangel lokaler und logistischer Hintergrunddaten schafft indes weniger Klarheit als Verwirrung. Und wo die hinführen kann, das immerhin sieht man.
Frei von Subjektivität und Sensationalismus zeigen Johannes Büttner und Julian Vogel die verschwörungstheoretische Bewegung aus nächster Nähe. In dieser Unmittelbarkeit und der persönlichen Immersion in die Schwurbel-Szene liegt der Reiz ihres enthüllenden Extremismus-Exposés. Ein Durchdringen der zwischen Manipulation und Megalomanie changierenden Mentalität gelingt nur absatzweise. Die Struktur zerfasert zwischen situativer Aufzeichnung, Interview-Akzenten und zurückhaltender Observation. Der konsequente Verzicht auf rationale Kontextualisierung und skeptische Gegenstimmen birgt indes auch die Gefahr, dass die transparente Analyse zur Anwerbung wird.
- OT: Soldaten des Lichts
- Director: Johannes Büttner & Julian Vogel
- Screenplay: Johannes Büttner & Julian Vogel
- Year: 2025
- Distribution | Production © Wood Water Films GmbH