Der einzige Moment, in dem Aron Lehmanns Dorf-Dramödie eine Spur Wahrhaftigkeit bietet, kommt mit dem entnervten Ausruf der hellsichtigen Hauptfigur (Corinna Harfouch): „Jetzt ist aber auch mal Schluss!“ Ist es aber leider noch lange nicht, obwohl das banale bisschen Handlung, das der Regisseur und Drehbuchautor Mariana Lekys gleichnamiger Romanvorlage entnimmt, da längst auserzählt ist. Immer wenn Luises Oma Selma von einem Okapi träumt, stirbt gleichentags jemand im Ort, was unter den Anwohnenden helle Aufregung verursacht.
Mehr als Briefbekenntnisse oder den Blick einer abergläubischen Herbergsbesitzerin (Hansi Jochmann) ins Tagebuch des längst verstorbenen Gatten löst die prophetische Gabe allerdings nicht aus. Ähnlich brach liegt das dramaturgische Potenzial des anderen übersinnlichen Elements, mit dem die erwachsene Luise (Luna Wedler) im Gegenwartsteil der auf zwei Zeitebenen verteilten Handlung für Zerstörung und schadenfrohe Lacher sorgen soll. Zwei gleichermaßen überkonstruierte und emotionslose Liebesgeschichten für Jung und Alt untermauern noch das Air repetitiver Rührseligkeit und reaktionärer Redundanz.
Den narrativen Inspirationsmangel spiegeln auf psychologischer Ebene auf ihre Tätigkeit und Ticks reduzierte Figuren. Deren Beziehungen zueinander und Wesensart erklärt Luises Hintergrundstimme, als gelte es, dramatische Entwicklung zu ersticken. Hier offenbart die Mischung aus Herzschmerz und Heimatkino ungeniert ihre konservative Borniertheit. Depression wird negiert und als Unfreundlichkeit abgewertet, psychische Erkrankung wird verharmlost und veralbert und der einzige zugewanderte Dorfbewohner ist ein wandelndes Klischee. Die altbackene Moral wirkt da wie eine indirekte Verbrämung der Ignoranz.
Basierend auf Mariana Lekys gleichnamigem Roman inszeniert Aron Lehmann eine Phantasie mit Phantastik ersetzende Provinz-Pastorale. Deren krampfhafte Kauzigkeit steckt voll weinerlicher Wehmut nach einem ländlichen Ideal, in dem immer die Sonne schien und der einzige Nicht-Deutsche der Italiener mit Eisdiele war. Zu spielen hat das passable Ensemble nichts außer der zu Naivität verklärten Bigotterie und zu Lebensweisheit überhöhter Apathie. Möchtegern-Magischer-Realismus ohne Zauber und Charme, dafür getränkt in miefigen Kleinbürger-Kitsch und sentimentale Schönfärberei eines dörflichen Damals.
- OT: Was man von hier aus sehen kann
- Director: Aron Lehmann
- Screenplay: Aron Lehmann, Mariana Leky
- Country: Germany
- Year: 2022
- Running Time: 103 min.
- Cast: Luna Wedler, Karl Markovics, Corinna Harfouch, Rosalie Thomass, Thorsten Merten, Peter Schneider, Katja Studt, Golo Euler, Johannes Allmayer, Hansi Jochmann, Jasin Challah, Benjamin Radjaipour, Heidi Ecks, Florian Kroop, Cosmo Taut, Ikko Masuda
- Release date: 29.12.2022
- Image © StudioCanal