Es scheint, Florian David Fritz möchte sich in Marc Rothemunds Familienfilm selbst typecasten lassen: als gestressten Familienvater von Kids, die es in der Gesellschaft aufgrund ihrer Kondition schwerer haben, aber vermeintlich lange nicht so schwer wie ihr Papa. Der ist natürlich der wahre Mittelpunkt der Handlung. Darin dienen die alltäglichen Herausforderungen diskriminierter und benachteiligter Gruppen lediglich als Vorwand, um einmal mehr von der privilegiertesten Personengruppe zu erzählen: wohlhabenden weißen straighten neurotypischen, able-bodied cis Männern. Wie Mirco.
Sein zehnjähriger Sohn Jason (Cecilio Andresen) hat das Asperger-Syndrom, erklärt zu Beginn eine Kindertherapeutin dem Kinopublikum, für das Jasons Mutter Fatime (Aylin Tezel) ergänzend schwört, sie wollten alles tun, damit Jason trotzdem das beste Leben haben werde. Dass niemand im echten Leben so spricht wie die Figuren, ist noch das geringste Manko der auf realen Begebenheiten basierenden Fussball-Vater-Sohn-Story. Deren fragwürdigen Ansatz impliziert bereits der Begriff „Asperger“, der nicht nur aufgrund seines faschistischen Namensgebers problematisch ist.
Doch historische Sensibilität, medizinische Kontroversen und diagnostische Spezifika spielen keine Rolle in Richard Kropfs Drehbuch. Das reduziert Jasons Zustand auf eine Handvoll aus Filmen bekannter Symptome, die sich je nach dramaturgischem Bedarf an und abschalten lassen. Diese für Fitz‘ Filme offenbar charakteristische Darstellung (siehe Vincent will Meer oder Oskars Kleid) eines permanenten Wesensaspekts als einer Art Laune bestätigt das Vorurteil einer „Modeerscheinung“, die betroffenen Kindern aberzogen werden könnte. Genau dies geschieht de facto mit Jason.
Der durch Mamas Übervorsicht verhätschelte Junge braucht bloß etwas martialisches Milieu. Das findet er beim Stadion-Hopping auf der Suche nach einem favorisierten Fußball-Verein. Der archaisch-aggressive Gemeinschaftsgestus erweist sich als wahres Wundermittel gegen Jasons stereotype Symptome. Selbige werden komplett übergangen oder bagatellisiert, genau wie die Tendenz der Fan-Szene zu Rassismus, Nationalismus, Queerphobie und Chauvinismus. Letzter ist vielmehr Kernelement des melodramatischen Männermärchens. Dessen Frauenfiguren fehlt das instinktive Verständnis, das Vater und Sohn auf der therapeutischen Tribüne vereint.
Die aggressive Aura traditionell toxisch-männlicher Milieus verleiht Jason Kampfgeist und Kraft, gegen sein eigenes restriktives Regelwerk zu rebellieren. Chronische Symptome erscheinen als selbsterstelltes System, das Betroffene mit etwas Willensstärke aufheben können. Chronische Erkrankung erscheint als Challenge, die es zu bewältigen gibt. Eltern und Kinder müssen angeblich nur wollen. Und die nötigen finanziellen und sozialen Ressourcen haben. Doch solche intersektionalen Faktoren zu ignorieren gehört zum paradoxen Ableismus der Fußball-Fabel. So verlogen kann eine „wahre Geschichte“ sein.
Von Oskars Kleid hat Florian David Fitz augenscheinlich nichts gelernt, außer dass sich sozial sensible Themen besonders lukrativ dramatisieren lassen. In Marc Rothemunds ungelenker Union von Vater-Sohn-Drama ist es die in Einklang mit dem bigotten Subtext als Asperger-Syndrom bezeichnete ASD. Die scheint Resultat jungmännlicher Schwäche aufgrund väterlicher Vernachlässigung. Deren Behebung bessert sofort die Symptomatik, die hier nie schwerer ausfällt als ein Trotzanfall. Das hölzerne Schauspiel potenziert die psychologische und emotionale Unglaubwürdigkeit einer bedrückend toxischen Tatsachenverfilmung.
- OT: Wochenendrebellen
- Director: Marc Rothemund
- Screenplay: Richard Kropf
- Country: Germany
- Year: 2023
- Running Time: min.
- Cast: Florian David Fitz, Cecilio Andresen, Aylin Tezel, Joachim Król, Milena Dreißig, Leslie Malton, Ilknur Boyraz, Charlotte Hübner, Sabine Barth, Michaela Wiebusch, Fritz Scheuermann, Andreas Leopold Schadt, Christo Klahr, Otis Whigham, Markus Hoffmann, Nela Bartsch
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