Einen besseren Titel als den militärischen Begriff für die ersten dreißig Minuten nach Mitternacht hätte Kathryn Bigelows ihrem methodischen Kriegsdrama kaum geben können. Die Nachtphase wird zur Metapher für das moralische Dunkel, in das der Plot den Zuschauer einlullt. Das unilaterale Mythologisieren des Aufspürens, Einkreisens und Tötens des laut Tagline „gefährlichsten Mannes der Welt” ist handwerklich makellose historischer Verzerrung. Nicht etwa im Sinne einer pro-demokratischen Agenda, die dem kaltblütigen Actionfilm nachgesagt wurde, sondern deren fachistoider Antithese. Der Arbeitstitel For God and Country bezeugte wohl zu offensichtlich die nationalistische Agenda der Regisseurin, deren fiktive Heldin Maya (Jessica Chastain) die Nützlichkeit und Notwendigkeit von Folter weismachen soll.
Der kalkulierte Gewöhnungseffekt der anfangs verstörenden Folterszenen auf dem US-Militärareal, wo Maya endlich Resultate erzielen soll, folgt schnell. Systematische Unmenschlichkeit wird nicht vorgeführt, um sie anzuprangern, sondern zu legitimieren. „Du kannst dir selbst helfen, indem du ehrlich bist“, kontert sie einen Appell an ihre Menschlichkeit. Genfer Konventionen bringen die als Sympathieträgerin angelegte Maya nicht vom Ziel ab. Das heißt Bin Laden. “Osama?“, wie während des Showdowns ein Soldat fragend in dessen mutmaßliches Versteck ruft. Solch Aberwitz dämpft nicht die menschenverachtende Doktrin. Mark Boals Drehbuch instrumentalisiert Bias und Vorurteile, um das Realitätsbild des Publikums zu manipulieren. In Wahrheit erbrachte die Folter nur Fehlinformationen.
Du willst nicht die Letzte sein, die ein Hundehalsband hält, wenn das Aufsichtskomitee kommt.
Eine Träne Mayas soll ihr Mitgefühl aufgrund ihrer späteren Abstrafung zusichern. Folterwerkzeug schrumpft zum Schwarzen Peter, der dem schlechtesten Strategiespieler zugeschoben wird. „Du willst nicht die Letzte sein, die ein Hundehalsband hält, wenn das Aufsichtskomitee kommt“. Der Plot rehabilitiert Menschenrechtsverletzungen als gerechtfertigte Reaktion der USA, in deren Geheimkerkern kein Unschuldiger hockt, und notwendiges Übel im Kampf gegen Terror, den die Notrufprotokolle von 9/ 11 heraufbeschwören. Ein Höchstmaß an Authentizität vorzugaukeln während sie tatsächlich mit Makulatur, Rabulistik und perfider Beweismanipulation ein Lügenmärchen konstruieren, ist die Stärke des Teams Boal/ Bigelow. Deshalb postulieren vier Golden-Globe-Nominierungen seine künstlerische Integrität und somit indirekt die ethische.
- OT: Zero Dark Thirty
- Regie: Kathryn Bigelow
- Drehbuch: Mark Boal
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2012
- Laufzeit: 157 min.
- Cast: Jessica Chastain, Jason Clarke, Jennifer Ehle, James Gandolfini, Mark Strong, Kyle Chandler, Chris Pratt, Joel Edgerton, Mark Duplass
- Kinostart: 31.01.2013
- Beitragsbild © Universal