Die Logline beschreibt Robert Eggers schwarzromantischen Schauergeschichte nicht unpassend als „ein Gothic Märchen von Obsession“. Letzte scheint weniger der den transylvanischen Titelcharakter (Bill Skarsgård) und sein menschliches Medium Ellen (Lily-Rose Depp) verbindende Sex-Spleen, als die eklektischen Exzesse des Regisseurs. Dessen schwer nach Humblebrag klingende Bemerkung, ein Remake Murnaus gleichnamigen Stummfilm-Klassikers von ihm fühle sich „hässlich und blasphemisch und egomanisch an“, scheinen durchaus angebracht nach Sichtung des Films. Der will das Publikum mit aller Macht schocken.
Das misslingt nicht nur, weil heutige Zuschauende weit weniger sensible sind als die des Originals. Dessen alptraumhafte Atmosphäre ist fesselnder und furchterregender als jeder der spekulativen Scares. Die meisten davon setzen auf Kunstblut-Fontänen und Fratzen, deren geringe Wirkung im Dauereinsatz komplett verschleißt. Repetition und Stagnation untergraben zusätzlich die Suspense des Plots, der entscheidende Aspekte unerklärt lässt und Spannungsepisoden gleichgültig abhakt. Ähnlich unterentwickelt sind die exaltierten Figuren, deren Verhalten und Aussagen zwischen willkürlich und widersinnig schwanken.
Besonders Ellen, deren morbide Melancholie zur hypersexualisierten Hysterie ausgebaut wird. Die buchstäbliche Dämonisierung ihrer Anfälle und Absencen sowie deren implizite Interpretation als Ausdruck unterdrückten Begehrens ist keine Reflexion, sondern Restauration des Viktorianischen Zeitgeists Bram Stokers Buchvorlage. Insbesondere deren 1992er Verfilmung durch Francis Ford Coppola prägt unverkennbar die opulente Optik und barocke Blutrünstigkeit des sexualisierten Spektakels. Dessen nekrophile Nuancen übertünchen lediglich patriarchalische Prüderie, laut der weibliches Begehren das Böse herruft und sich dem Gemeinwohl opfern muss.
Neben Sexismus, Scheinmoral und Sensationslust Bram Stokers Romanvorlage zeigen sich auch dessen Xenophobie und Reaktionismus unangenehm in Robert Eggers krudem Konglomerat deren bekanntester Verfilmungen. Deren unterschiedliche Stimmungen, Stile und Struktur ergeben ein makaberes Mosaik voll Leerstellen und deplatzierter Fragmente. Dieser verworrenen Vampir-Saga und die Darstellenden machtlos ausgeliefert. Sakrsgard ist kaum erkennbar, Depp rotiert in emotionalen Extremen. Dafoe bringt immerhin einen Hauch Humor in das arrivierte Ausstattungstheater, dessen verschenkte Möglichkeiten gespenstische Einzelszenen nur noch erahnen lassen.
- OT: Nosferatu
- Director: Robert Eggers
- Screenplay: Robert Eggers
- Year: 2024
- Distribution | Production © Universal