Manilas hektisches Nachtleben dient Petersen Vargas als Kulisse eines hitzigen Dramas, dessen überkonstruierte Handlung nicht annähernd so lebendig und faszinierend wirkt wie ihr schillerndes Setting. Sentimentalität, Symbolismus und spekulative Sinnlichkeit verwebt der philippinische Regisseur und Drehbuchautor zu einer surrealen Story, die beständig Stimmung und Ausrichtung wechselt. Die geschäftige Atmosphäre der nächtlichen Metropole vermittelt sich intensiver und spannender als die Emotionen der jungen Protagonisten. Deren wichtigste sind der gerissene Sexworker Uno (Miguel Odron) und der naive Ausreißer Zion (Argel Saycon).
Die unstete Handkamera folgt den beiden, die eine unwillkürliche Anziehung verbindet, wie ein unsichtbarer Begeiter – oder creepy Stalker. Den voyeuristischen Touch kann die organische Inszenierung nicht abschütteln, genauso wie die Figuren nicht die Augen des Kinopublikums. Die suggestive Kraft von Blicken wird zum Schlüsselelement der Story, die lose in drei Kapitel zerfällt. Das erste ist ein energetisches Tableau der queeren Szene. Jene ist noch Neuland für Zion, der sich als Sohn eines einflussreichen Politikers entpuppt.
Bezeichnenderweise ist er als Identifikationsfigur angelegt und charakterlich differenzierter gezeichnet als Uno und dessen zu Stereotypen reduzierte Kumpel. Uno ist der Trickster mit dem obligatorischen Herz aus Gold. Bay ist halb großer Bruder, halb Bully. Rush ist so impulsiv wie sein Spitzname andeutet und Ge ist der Jüngste, dessen Part bald Zion zufällt. Die Kameraderie der drei, deren Rapport ihre lange Freundschaft vermittelt, wird auf die Probe gestellt, als Ge eine Überdosis abkriegt. Eine Entwicklung, die mehr verärgert als berührt.
Ungeachtet seiner auf den ersten Blick entspannten und respektvollen Perspektive auf Sexarbeit bedient Vargas hier mehrere Negativ-Klischees: gefährlicher Substanz-Konsum, Sexarbeit zur Drogenbeschaffung und der Klassiker: tote Sexworker am Straßenrand zwischen Mülltonnen. Es ist bittere Ironie, dass gerade solche filmischen Narrative die Stigmatisierung fördern, die das Drama vorgeblich beklagt. Einzig Ges Clique bemerkt seinen Tod und beschließt, seinen Leichnam zur Beisetzung seiner entfremdeten Familie zurückzubringen. Nur ist ein Trip mit einem Toten in der Reisetasche nicht ungefährlich.
Das Desinteresse an dem öffentlichen Todesfall verweist auf die Schattenseiten des Mikrokosmos, der Vargas spürbar in seinen Bann zieht. Naturalismus und traumartige Mystik verschmelzen zu einer hypnotischen Aura zwischen Erotik und Esoterik, die mehr über bourgeoise Projektion und Vorurteile verrät als über die Realität. Bunte Laternen von Straßenständen, Bars und Fahrzeugen beleuchten die Nacht, in der sich die gesamte Handlung abwickelt. Die berauschende Szenerie scheint eine Welt für sich – die in doppeltem Sinn Vargas Phantasie entspringt.
Sexkinos, öffentliche Toiletten und Parkplätze bilden in Petersen Vargas suggestiver Melange aus Road Movie, Jugenddrama und Milieubeschau eine endlose Cruising Area. Der Filmtitel wird zum unfreiwilligen Marker für die Impulsivität des mäandernden Plots. Den leiten weniger dramatische oder psychologische Entwicklung als Schaulust und Stimmung. Dennoch besitzen die hitzige Ästhetik und ungeschliffenen Darstellungen der großteils mit Handkamera gefilmten Straßenszenen visuelle Kraft. Das surreale Szenario verliert sich vom dramaturgisch strukturierten Anfang in die bizarre Verstiegenheit eines Sextraums.
- OT: Some Nights I Feel like Walking
- Director: Petersen Vargas
- Screenplay: Petersen Vargas
- Year: 2024
- Distribution | Production © PARALLAX Films