Eine menschenleere Seilbahn, deren Gondeln von den Hochhäusern Teherans über die Berge scheinbar ins nichts fahren. Ein verlassener Vergnügungspark, in dem sich ein unbesetztes Riesenrad gespenstisch dreht. Eine bedrohliche Giftwolke, die den Himmel über Irans Hauptstadt verdunkelt. In den ruhigen Bildern Ali Asgaris dokumentarischen Essays verdichten sich lyrische Schwarz-Weiß-Optik, autobiografische Reflexionen und surreale Symbolik filmischen Monument geistigen Widerstands gegen ein repressives Regime. Dessen toxische Macht über die Bevölkerung verkörpert die titelgebende Säurewolke. Unter deren erdrückenden Schatten geriet auch der iranische Regisseur.
Als Asgari 2023 vom Cannes Film Festival, wo er sein systemkritisches Episodenstück Terrestrial Verses vorstellte, wurde er mit einem achtmonatigen Reiseverbot und sechs Monaten Hausarrest verurteilt. Eine frühe Szene stellt die radikale Maßnahme ohne Worte nach. „Dies ist mein Heim. Aber diese Männer sind nicht meine Gäste.“, erzählt Asgari aus dem Off. Die Beamten durchwühlen seine Wohnung, konfiszieren seinen Pass, seinen Computer, sein Handy und seine Festplatten. Das Filmdrehen und jede Nutzung von Social Media sind ihm verboten.
Nahezu ohne menschlichen Kontakt ist er in seinem Apartment eingesperrt. Es ist ein persönlicher Lockdown. Eine Situation, die dazu geschaffen wurde, ihn psychologisch zu brechen, und an der die meisten Menschen verzweifeln würden. Doch Asgari konzentriert sich auf das, was ihm weder das Regime, noch sonst jemand nehmen kann. Seine Phantasie und seine Erinnerungen. Seine Mutter, seine Schwester, sein kindliches Ich und seine gegenwärtige Persona werden zu den Protagonist*innen einer Gedankenreise. Jugenderinnerungen, Reisevisionen und Szenen einer Stadt, die zugleich nah und unendlich fern scheint, verschmelzen zu einem poetischen Protestakt.
Einst war der Himmel Teherans mit leuchtenden Sternen gefüllt. „Doch jetzt kann man keine Sterne mehr sehen.“, resümiert Ali Asgari bitter in seiner essayistischen Hybrid-Doku. In einem Zustand niederschmetternder physischer, intellektueller und emotionaler Deprivation wendet der in seinen eigenen vier Wänden eingesperrte Filmemacher den Blick nach innen. Aus Imagination und Revision wächst eine dystopische Stadtlandschaft. Jene totalitäre Topographie, aus der alles Leben verbannt scheint, wird zur Allegorie einer jede Freiheit – künstlerisch, geistig oder persönlich – unterdrückenden Staatsgewalt. Doch deren tristes Grau kann der Kraft des Geistes nichts anhaben.
- OT: Balatar az abrhaye asidi
- Director: Ali Asgari
- Screenplay: Ali Asgari, Ali Shams
- Year: 2025
- Distribution | Production © Tell Tall Tales