“People think they want the truth. But what they really want is a good story.“, verkündet John C. Reilly als Buffalo Bill. Dessen Italienbesuch während einer Europa-Tournee dient Alessio Rigo de Righi und Matteo Zoppis als historischer Aufhänger ihres eigenwilligen Italo-Westerns. Jener macht mit dem Zitat seiner als Erzähler fungierenden Schlüsselfigur schon früh klar, dass dramatische Qualitäten in der ironischen Inszenierung bedeutender sind als Faktentreue. Dieses Motiv der Diskrepanz zwischen geschichtlichen Mythen und Realität gibt die absurde Story einen eigenwilligen Twist.
Die Handlung will eines jener wahren Ereignisse sein, die bei ihrer Niederschrift verdreht und ausgeschmückt wurden, weil die Tatsachen nicht zur Legende des Wilden Westens passen. Das ist die absichtliche Ironie. Die unfreiwillige Ironie ist, dass die wirre Story um die junge Rosa (Nadia Tereszkiewicz), die ihren brutalen Ehemann Rupe (Mirko Artuso), erschießt und mit Cowboy Santino (Alessandro Borghi) durchbrennt. Die freiwillige Flucht präsentiert Rupes wohlhabender Vater (Cameo für Sartana Star Gianni Garko) als Entführung.
Erretten soll die Dame in Not Buffalo Bill, dessen Wild-West-Show den Schauplatz des Vorfalls liefert. Der alternde Held betrachtet die Rettung als Reklame-Aktion und folgt dem delinquenten Duo. Lochblende, Stumm-Film-Optik und Textkarten holen filmgeschichtlich aus bis zur Geburt des Genres – und des Spielfilms – mit Edwin S. Porter The Great Train Robbery. Diese und eine Reihe andere Referenzen bleiben jedoch hole Deko. Was als Meta-Western beginnt, wechselt früh zur typischen Genre-Fiktion, wenn auch mit reichlich abstrusen Einfällen.
Ein sprechender Kopf, Konversation mit Krähen und ein mit Musical-Einlagen befeuerter Arbeiteraufstand sind nur ein paar der aberwitzigen Elemente des willkürlichen Plots. Der wird mit jedem der durch nostalgische Stummfilm-Titelkarten angekündigten Kapitel bizarrer. Der feministische Einschlag, den Rosas bewaffneter Kampf um Unabhängigkeit von diversen Männern darstellen soll, ist offensichtlich bloß pop-kulturelles Kalkül. Ihre irrationalen Aktionen, Gefühlsschwankungen und Lüsternheit machen sie zum verstaubten Stereotyp, passend für die verstaubten Narrative, von denen sich die Inszenierung vorgeblich distanzieren will.
Dass die Protagonistin zu Beginn Alessio Rigo de Righis und Matteo Zoppis Italo-Western-Groteske eine vergilbtes Heftchen mit ihrer ausgeschmückten Geschichte liest, ist nicht subversiv, sondern Staffage. Einzelne pointierte Szenen wie ein italienischer Rodeo-Reiter vor gemalter Western-Landschaft präsentieren den Wilden Westen als Konstrukt. Eine längst etablierte Erkenntnis, die bessere Film unterhaltsamer brachten. Die wirre Story gerät mit magisch-realistischen Schnörkeln zur unfreiwilligen Selbstparodie. Schauspielerisch ist einzig Reilly über dem Niveau einer Nachmittags-Serie, zu der auch die klapprigen Settings passen.
- OT: Testa o croce?
- Director: Alessio Rigo de Righi, Matteo Zoppis
- Year: 2025