Sanfte Kamerafahrten, warme Erdtönen, denen die Sonne einen goldenen Schimmer verleiht, sorgsam arrangierte Interieurs mit altmodischem Charme und eine Bildkomposition, deren gefälliger Charme an Kaufhaus-Stillleben erinnert: Margherita Spampinato macht es dem Publikum leicht, sich in der süßlichen Nostalgie ihres sentimentalen Spielfilm-Debüts zu verlieren. Das inszenatorische Geschick der auch als Cutterin und Autorin tätigen Regisseurin zeigt sich nicht allein in der visuellen Sinnlichkeit und dem pittoresken Lokalkolorit der sommerlichen Coming-of-Age-Geschichte, sondern deren konservativem Kalkül. Jener verkappte Reaktionismus untergräbt den schwelgerischen Ästhetik und des generischen Generationstreffens.
Zweites orientiert sich am vertrauten Grundmuster des Konflikts zwischen Stadt- und Provinzleben sowie Moderne und Traditionalismus, verkörpert durch prototypische Figuren unterschiedlicher Jahrgänge. Der internetaffine Nico (Marco Fiore) verbringt die Sommerferien nach dem Willen seiner sekundären Eltern bei seiner streng katholischen Tante Gela (Aurora Quattrocchi) auf Sizilien. In ihrem weitläufigen Anwesen gibt es weder WLAN noch Fernsehen. Dafür aber alte religiöse Bräuche und volkstümliche Legenden, denen der kindliche Protagonist in seinen gelangweilten Stunden nachspürt. Dabei stößt er auf ein sorgsam gehütetes Geheimnis seiner Tante.
Deren in einer plötzlichen Beichte gegenüber Nico enthüllte Vergangenheit ist der interessanteste Aspekt und zugleich die Crux der schematischen Handlung. Die instrumentalisiert rare Repräsentation für eine bedrückend repressive Botschaft. Letzte deutet sich an, wenn Gela ihre Neffen ermahnt, seinen „mädchenhaften“ Nagellack zu entfernen. Das Gebot äußerlicher und intimer Anpassung an klerikale Dogmen implementiert Gelas über die Jahre totgeschwiegene Romanze mit einer anderen Frau. Ob diese Liebe erotisch oder platonisch war, bleibt vage, doch der öffentliche Verdacht der Queerness und das damit einhergehende Stigma dienen als abschreckend Lektion.
Während Spampinato die erwartbaren Wendepunkten von anfänglicher Ablehnung über einen Moment zaghafter Öffnung bis zu gegenseitigem Respekt abgrast, findet weder eine Bestätigung seitens Nicos scheinbar progressiver Perspektive statt, noch ein Umdenken Gelas. Der vergrabene Schmerz der von Aurora Quattrocchi einfühlsam verkörperten Figur scheint letztlich irrelevant. Kameramann Claudio Cofrancesco erfasst das sizilianische Landhaus in weichen, sonnendurchtränkten Einstellungen, die den altertümlichen Requisiten eine dekorative Patina verleihen. In kontrastreichen Sonnenfarben vibriert die Aura einer vergangenen Lebensweise, deren restriktiver Moralismus und religiöser Fundamentalismus zu zeitlosen Wertmaßstäben erhoben werden.
Die flache Dramaturgie Margherita Spampinatos zwiespältigen Spielfilm-Debüts ist so konformistisch wie dessen nostalgische Narrative. Charakterposition dienen statt als organisch gewachsene Beziehungsmomente als unverkennbare Chiffren moralischer Werthaltungen. Dialoge sind Motor der vorhersehbaren Entwicklungen auf familiärer und emotionaler Ebene. Der kindliche Hauptcharakter vertritt eine vermeintlich aufgeklärte Gegenwart, seine alte Tante die mystische Aura des Vergangenen. Diese Symbolhaftigkeit verleiht zwar eine klare Lesbarkeit, beschränkt jedoch die psychologische Vielschichtigkeit. Zwischen melancholischer Ruhe und einer Prise bravem Humor bleibt der Ton durchgehend sanft und versöhnlich – besonders da, wo offene Konfrontation angebracht wäre.
- OT: Gioia mia
- Director: Margherita Spampinato
- Year: 2025