“If you look long enough, you find flaw in everything.”, verkündet Oscar Isaac als egozentrischer Autor Nick Tosche in Julian Schnabels bizarrer Fantasy-Fabel. Jene gibt mit gut zweieinhalb Stunden Laufzeit reichlich Gelegenheit. Doch selbst ohne einen solchen ausführlichen Blick übersieht man schwerlich die zahlreichen Mankos des protzigen Pastiches auf Historiendrama, Mafia-Krimi, Liebesmelodrama, Biopic, Autofiktion und Mystery-Film, die außer Konkurrenz in Venedig debütiert. Als Inspiration des exzentrischen Epos, das von Spätmittelalter bis in die jüngste Vergangenheit reicht, dienten gleich zwei literarische Werke.
Eines ist die „Göttliche Komödie“ des Titelautors, den Oscar Isaac im historischen Handlungsteil in einer Doppelrolle verkörpert. Allerdings interessiert sich Schnabel weniger für eine werktreue Adaption Dante Alighieris als für dessen sinnbildliche Verwebung in Dantes Werdegang. Der erstreckt sich dank phantastischer Elemente wüber Jahrhunderte und fühlt sich noch länger an. In der Neuzeit ist Dante wiedergeboren als Nick Tosche. Der US-amerikanische Schriftsteller verfasste die zweite Buchinspiration mit seinem gleichnamigen Roman. Darin machte Tosch sich selbst zum Hauptcharakter der zweigleisigen Story.
Deren spätmittelalterliche und moderne Ereignisse treffen sich dank göttlichen und satanischen Einwirkens in der Neuzeit. Bs dahin braucht es haufenweise Leichen, Folter und Zeitsprünge in dem umständlichen Plot, dessen übernatürliche Aspekte wie ein verspätetes Behelfsmittel wirken. Im Florenz des frühen 14. Jahrhunderts muss Dante sich mit einem korrupten Papst (Gerard Butler), falschen Freunden herumschlagen und seine ewige Liebe in Gattin Gemma (Gal Gadot) erkennen. Erhabene Szenenbilder und eine in unterkühltem Pathos schwelgende Kameraführung rahmen die abstruse Mär, die weißes männliches Genie und ihre gestrige Gesinnung verbrämt.
In der stilisierte Schwarz-Weiß-Bilder verpackten Gegenwart stiehlt Nick gemeinsam mit dem sadistischen Gangster Louie (ebenfalls Butler) im Auftrag des skrupellosen Geschäftsmanns Joe Black (John Malkovich) das verschollene Original-Manuskript der „Göttlichen Komödie“. All das ist nur ein Bruchteil des konfusen Narrativs, das sich ständig in anekdotischen Episoden – eine davon von Malkovich in Märchenonkel-Manier erzählt – verliert. Diese Vignetten sind weder dramaturgisch relevant noch unterhaltsam, sondern lediglich Vorwand für homophobe Ergüsse, grenzwertige Gags und willkürliche Gewaltausbrüche. Was sich in Dantes Nachfolge sieht, ist bloß regressiver Chauvinismus.
Hehre Kameraaufnahmen orientieren sich an Neo-Realismus, Noir und Gangster-B-Movies ebenso wie an barocker Malerei. Martin Scorsese, Al Pacino und Jason Mama liefern Kurzauftritte. Die Story selbst beschwört eines der bedeutendsten Werke der Literaturgeschichte nicht nur herauf, sondern stellt sich darüber. Trotz aller künstlerischen Prätention und kommerziellen Spekulation offenbart sich Julian Schnabels verstaubtes Ensemble-Stpck als kalkuliertes Ausstellungskino. Hinter der Arthaus-Anmaßung steckt modert selbstfokussiertes Schauspiel, eine verworrene Handlung, geschmacklose Gags und aggressiver Reaktionismus offenbaren weder kreative Visionen noch existenzielle Sinnfragen, sondern nur alt-lite Arroganz.
- OT: In the Hand of Dante
- Director: Julian Schnabel
- Year: 2025