„Big Boss“ nennt Tomasz Wolski den umstrittenen Protagonisten seiner historischen Collage. Die arrangiert Interview-Auszüge, Nachrichten-Clips und Archivaufnahmen zu einer humoristischen Hommage an den polnischen Politiker, der sich als Agent für diverse Geheimdienste verdingte. Nicht nur dieser Aspekt macht den augenzwinkernden Ton der süffisanten Spionage-Story fragwürdig. Der in einem zum damaligen Österreich-Ungarn gehörenden Teil Polens geboren Trepper ließ sich gern als „Held des antifaschistischen Widerstands“, als den ihn die Synopsis bezeichnet, feiern. Doch seine politischen Sympathien waren bestenfalls strategisch.
Den Regisseur interessiert das jedoch so wenig wie die politische Prägung und Anfänge seines zentralen Charakters. Dessen Leben beginnt scheinbar erst, als die politische Laufbahn in vollem Gange und der Grundstein für Treppers eigenen Mythos, den er besonders in späten Jahren eifrig beförderte, bereits gelegt. Hektische Schwarz-Weiß-Bilder vermitteln etwas Zeitkolorit des Polens der Dekaden von 1930 bis 1980, durch die der holprige Plot stolpert. Ein substanzieller Einblick in die politische oder wirtschaftliche Lage des Landes kann nicht entstehen.
Dafür richtet die wirre Mischung aus Zeitabriss und Historien-Hagiographie den Fokus wiederholt auf Ereignisse, die Treppers Selbstdarstellungen unterstützen. Objektive Recherche ist ebenso wenig erkennbar wie eine kritische Evaluierung der Aussagen des Titelcharakters. Selbst wenn die Fakten eindeutig gegen ihn sprechen, wie in den Jahren, in denen Trepper für die Nazis aktiv war, legitimiert die Inszenierung dies mit Treppers angreifbarer Position als polnischer Jude. Wenn es ins Narrativ passt – das des Regisseurs und das seines Protagonisten – ist der Big Boss plötzlich das hilflose Opfer.
Eine schillernde Persönlichkeit wie der polnische Politiker und Mehrfachagent Leopold Trepper liefert genug biografisches und zeitgeschichtliches Material für eine ganze Reihe Dokumentarfilme. Tomasz Wolski zeigt daran indes keinerlei Interesse. Sein chronologisch und ideologisch gleichermaßen undurchsichtiges Exposé widmet sich ganz der Idolatrie, die der egozentrische Protagonist bereits zu Lebzeiten anregte. Dass die Biografie, die Wolski als Spionage-Schelmenroman inszeniert, reale menschliche Opfer forderte, wird als Kollateralschaden abgetan. In einer rechts-populitischen Gegenwart wird der Karriere-Kollaborateur sicher seine Bewunderer finden – auf der falschen Seite.
- OT: Wielki szef
- Director: Tomasz Wolski
- Screenplay: Tomasz Wolski
- Year: 2025
- Distribution | Production © INA | Kijora Film