‚What does it Trubels take for someone to change?‘, fragt die offizielle Synopsis Monica Strømdahls deprimierenden Debütfilms. Dessen Antwort für die vorangestellte Frage ist ähnlich niederschmetternd wie das Szenario. Dass gibt einen exemplarischen Einblick in den titelgebenden Kosmos billiger Apartment-Hotels und Absteigen. Die sogenannten Flophouses sind der letzte Halt vor der Obdachlosigkeit für Menschen am unteren Rand der US-Gesellschaft. Menschen wie die kaputte Kernfamilie, deren Hotel-Heim die dänische Regisseurin zum alleinigen Schauplatz ihrer manipulativen Milieuschau macht.
Eine einleitende Texttafel liefert die kargen Hintergrundinformationen über Armut in den USA. Die liegt offiziell bei 11,5 Prozent – etwa 34 Millionen Menschen. Wie diese Statistik Armut definiert, bleibt ebenso unklar wie deren Ursachen und Auswirkungen. Die letzte Auslassung hat Methode, da Strømdahls einschlägige Chronik dem Publikum einen sehr spezifischen Eindruck davon nahelegt. Das zeigt paradigmatisch eine weitere Statistik im unmittelbaren Anschluss: Etwa 10 Prozent Kinder leben in Haushalten, in denen mindestens ein Elternteil ein Alkoholproblem hat.
Armut und Alkoholismus stehen scheinbar in direktem Zusammenhang. Tatsächlich gelten die Zahlen für die Gesamtbevölkerung und Mittel- und Oberschicht konsumieren mehr Alkohol als die Unterschicht. Doch solche Details vertragen sich kaum mit den Vorurteilen, welche invasiven Aufnahmen tendenziell zementieren. Eine Trigger-Warnung antizipiert bereits die Drastik einiger Bilder kindlicher Traumatisierung. Jene betrifft Mikal. Er ist eines der 7,5 Millionen Kinder. Das sagt der junge Mann selbst von sich in einem in der Gegenwart gefilmten Prolog.
Den Protagonisten in diesem selbst die Statistiken verlesen zulassen, betont den durch Close-ups, Point-of-View-Shots und den narrativen Fokus auf Mikal erweckten Eindruck, das Gefilmte spiegele seine Perspektive statt Strømdahls. Der dokumentarische Hauptteil kondensiert das Leben des anfangs 12-Jährigen von 2020 bis 2022 in einem namenlosen Flophouses. Der aufgeweckte Protagonist wurde dort geboren und solange er dort lebt, zeigt ihn die Regisseurin niemals außerhalb. Seine Eltern sieht man ausschließlich in dem verdreckten Zimmer, das sich die kleine Familie mit ihrem Kater teilt.
Obwohl ihre Gespräche verraten, dass Jason zur Arbeit geht und Mikal zur Schule, besteht ihr Alltag augenscheinlich aus herumhängen, trinken, rauchen, essen und streiten. Letztes liefert die bedrückenden Höhepunkte dieses Realdramas mit unangenehmen Big-Brother-Anklängen. Während Tonya oft benebelt wirkt, sprechen und agieren Mikal und Jason in spürbarem Bewusstsein der Kamera. Oft klingen Sätze, als würden sie direkt für die Regisseurin oder das Publikum gesprochen und mitunter drängt sich die Frage auf, ob Situationen nachgestellt oder gelenkt wurden.
Die lokale Beschränkung auf die schäbige Unterkunft lässt den Ausschluss der Unterschicht von sozialer und kultureller Teilhabe als deren eigene Entscheidung dastehen. Mikals Wunsch nach Heimunterricht scheint dieses Narrativ zu bestätigen. Zudem macht diese Verengung des Fokus auch die Diskriminierung und Stigmatisierung der untersten Gesellschaftsschichten unsichtbar. Innerhalb des symbolischen Schauplatzes rückt Strømdahl gezielt Tonyas und Jason’s Alkoholismus und Auseinandersetzungen sowie Mikals Leiden darunter in den Fokus. Da Elend des Prekariats wird zum Entertainment der bildungsbürgerlichen Zielpublikums.
Mit ihrer Kombination von Direct Cinema und Observation suggeriert Monica Strømdahls dokumentarisches Kino-Debüt eine größtmögliche Authentizität. Doch diese Wahrhaftigkeit der bestückenden Szenen urbaner Verelendung entpuppt sich als geschicktes Konstrukt einer selektiven Milieuschau, die ihrem Konstrukt der empathischen Einmischung verfallen ist. Systemische und strukturelle Ursachen familiärer Verarmung werden ausgeblendet zugunsten der typischen klassistischen Bias. Die Unterschicht scheint selbst verantwortlich für ihr Elend und dessen Überwindung, die vermeintlich nur durch Eliminieren der dysfunktionalen Mitglieder erreicht.
- OT: Flophouse America
- Director: Monica Strømdahl
- Screenplay: Monica Strømdahl
- Year: 2025
- Distribution | Production © Fri Film