Der Titel Daniel Abmas idealistischer Doku nimmt vorweg, wie das Kinopublikum die drei Pädagogen im Mittelpunkt wahrnehmen soll. Offiziell sind Sören Wagner, Antje Wagner und Max Gerecke nicht die Familie der Jungen, die sie in einer pädagogischen Wohngruppe in Brandenburg betreuen. Aber sie könnten es sein, so innig scheinen die Beziehungen zwischen den Betreuenden und Kelvin, Sören und den übrigen Kids. Die wollen allerdings trotzdem lieber raus dort. Warum, das ist nur eine der offenen Fragen, die unter den harmonischen Bildern gären.
Die idyllische Inszenierung ist so tadellos, dass man sie nur zu gerne glauben möchte. Weil der Job, den das Protagonisten-Trio augenscheinlich mit so viel Engagement und Empathie erfüllt, ebenso bedeutsam wie missachtet ist. Und weil es angenehmer ist, zu glauben, Kinder, die zu Hause entweder nicht sicher sind oder anecken, würden einen solchen Schutzort finden, bis sie oder die Eltern sich stabilisiert haben. Dass dieses Happy End nach 90 Minuten praktisch aus dem Nichts kommt, unterstreicht die manipulativen Tendenzen der undurchsichtigen Gemeinschaftsskizze.
Jenes kombiniert beobachtende Szenen und Interviews mit Betreuenden, die jedoch nie die Herausforderungen und Hintergründe der Arbeit enthüllen. Die Heimeinrichtung liegt in malerischer Landschaft, ist geräumig und gemütlich. Keine Spur von mangelnder Privatsphäre, Monotonie oder autoritären Hierarchien. Auffälliges Verhalten der Kinder wird erwähnt, aber nie gezeigt. Wie mit Gewaltausbrüchen oder Extremsituationen umgegangen wird, bleibt unklar. Das Gleiche gilt für logistische und bürokratische Strukturen. Wie viele Plätze gibt es? Wie wird über Aufnahme entschieden? Wie lange bleiben Kinder? Warum leben nur Jungen hier?
Ex-Soldat Gerecke ist zwar neu im Job, scheint aber keinerlei Einarbeitungsprobleme zu haben. Sören und Antje Wagner dafür kaum Privatleben. Doch über Belastungen wird nie gesprochen. Die Pädagog*innen sind scheinbar nie gestresst, überfordert oder im Konflikt miteinander, den Kindern oder Eltern. Weder die Jungen noch ihre Eltern kommen je direkt zu Wort. Wenn sie reden, dann nur mit den Pädagogen. Statt Transparenz und Informationen gibt es pittoreske Naturbilder zu ruhiger Musik, die suggerieren, dass es immer so angenehm ist.
Das Leben in der Wohngemeinschaft für Kinder aus familiären Problemsituationen zeichnet Daniel Abmas Dokumentarfilm wie Ferienlager. Alle essen gemeinsam, scherzen, feiern Silvester und besuchen Schulveranstaltungen. Bei einer solchen wird die erzieherische Leistung der Eltern gelobt. Schnitt zu den Beifall klatschenden Betreuenden. Dergleichen plakative Positivität erinnert an eine Image-Kampagne. Dass die Kinder eine psychiatrische Klinik mit Zwangsmedikation und Fixierung dem Filmschauplatz vorziehen, sagt indes mehr als das adrette Bild von Friede, Freude Eierkuchen – für die ein Junge nach seinem Auszug sogar das Rezept erfragt.
- OT: Im Prinzip Familie
- Director: Daniel Abma
- Screenplay: Daniel Abma
- Year: 2025
- Distribution | Production © Bandenfilm