Wer Csaba Mális und Zsolt Pálfis nostalgisches Zeichentrick-Abenteuer ohne Vorwissen schaut und Hintergrundkenntnisse schaut, glaubt womöglich, einen obskuren Kinderfilm aus den 80ern wiederentdeckt zu haben. Die gerade 80-minütige Handlung ist ein märchenhaftes Abenteuer um einen tapferen Königssohn und eine schöne Feen-Prinzessin, deren Liebe eine böse Hexe verhindern will. Der altmodische Zeichentrick-Stil erinnert an die Prinz Eisenherz TV-Serie und Disneys Taran und der Zauberkessel. Aus beider Ära stammt auch der prägende Animations-Künstler, dem die Regisseure huldigen.
Außerhalb Ungarns ist Attila Dargay praktisch unbekannt. Doch in seinem Heimatland wuchs eine ganze Generation mit seinen Zeichentrick-Werken auf. Die charakteristische Ästhetik und der spielerische Stil treffen auf einen dramatischen Stoff, den der Regisseur selbst in den 70ern verfilmen wollte. Mihály Vörösmartys 1830 erschienenes Versepos „Csongor és Tünde“ – so auch der Originaltitel Mális und Pálfis Werk – gilt in Ungarn als Klassiker von Dichtung und Bühne, ein Werk (angeblich) ebenbürtig Shakespeares „A Midsummer Night‘s Dream“.
Immerhin ein paar ähnliche Elemente besitzt die Geschichte um den Prinzensohn Csongor. Der sucht in Begleitung seines treuen Dieners Balga seine große Liebe, Feenprinzessin Tsünde, in einem Wald voller sagenhafter Kreaturen. Eine davon ist Hexe Mirigy, die bei der Wiedersehen mit ihren koboldartigen Gehilfen vereiteln will. Csongors Edelmut wird geprüft und ein gemeinsames Lied wird zum Erkennungsmerkmal, als Mirgy den Prinzen mit einer „falschen“ Tsünde täuschen will. Disneys Arielle inspirierte wohl auch ein bisschen mit.
So schlicht das ganze klingt, ist es auch auf visueller Ebene. Die märchenhafte Welt wirkt generisch und detailarm, die Bewegungen vereinfacht und behäbig. Mimik und Interaktion sind eher primitiv, ohne das kreative Elemente einen Ausgleich schaffen. Spannung oder düstere Aspekte existieren nicht und der Humor beschränkt sich auf Slapstick und flache Gags. Unter dem Deckmantel der naiven Referenz an beliebte Popkultur und klassische Literatur verbirgt sich ein Konstrukt unangenehm reaktionärer Narrative, die durchaus System haben.
Mit simplen Animationen und einer inspirationsarmen Story verklärt Csaba Mális und Zsolt Pálfis Animationsmärchen nicht nur zwei ungarische Nationalikonen – Attila Dargay und Mihály Vörösmarty, sondern das patriarchalisch-konservative Wertbild einer vergangenen Ära. Ein reduktives Gut-Böse-Schema ohne moralische Grauzonen wertet Schönheit und Hässlichkeit als Wesenstyp. Die Hauptfiguren haben den höchsten sozialen Rang, Bedienstete sind weniger schön, plump und dümmlich. Die binären Gender-Rollen sind patriarchalisch-traditionalistisch. Regelbrüche werden drakonisch bestraft. Da kommt wahrhaftig Retro-Flair auf – passend zur politischen Entwicklung.
- OT: Csongor és Tünde
- Director: Csaba Máli, Zsolt Pálfi
- Year: 2025