Gleich einem mystischen Ideal schwebt in Anja Salomonowitzs Ensemblestück der Landesname über den gedrungenen Seelenskizzen, welche die Regisseurin zu einer fatalistischen Allegorie gruppiert. Dem Titelort verleiht ihr aus streng reglementierten Bildarrangements konzipiertes Drama einen ätherischen Glanz ähnlich dem, der die Ikonen umfängt, die den Blick der Betrachter auf und vor der Leinwand bannen.
Die Augen der Heiligen sind stumpf geworden in der alten Kirche an der moldawischen Grenze Österreichs. Von dort will der junge Sava (Gregoire Colin) möglichst schnell weiter zu seinem Ziel, „wo die Menschen Gott noch fürchten“. An einem solchen Ort können man gut leben, meint der Reisende, der sich bis dahin an einem anderen Ort Gottes einrichten muss. Um Geld für die Weiterfahrt zu sparen, repariert er das Gestühl der Kirche, in der die Ikonographin Magdalena (Tatjana Alexander) ihr Kunsthandwerk tätigt. Bedrängt von ihrem gewalttätigen Ex Albert, einem zugleich jämmerlichen und hasserfüllten Fahnder der Einwanderungsbehörde (Cornelius Obonya), sucht sie ebenso nach einem Zufluchtsort wie der Wanderarbeiter. Wie der spielsüchtige Familienvater Gabriel (Lukas Miko), der seine Angst vor den Schulden vor dem Kneipenautomaten betäubt, und der in seinem Glauben schwankende Priester (Wolf Bachofner).
Der in eine zwischen Wärme und Bedrückung schillernde Farbpalette aus Ocker, Orange und Brauntönen getauchte Schauplatz ist ein psychologisches Purgatorium. Dessen Gefangene hoffen verzweifelt auf Einlass in das, was sie als Paradies sehen, sei es greifbar ode abstrakt. Für Albert, der bizarre Sühnerituale vollführt, ist es Magdalenas Leben. Für Silva, der vor etwas Unsichtbarem flieht, das entrückte Titelland. Für Magdalena ist es die in ihrer sadistischen Ehe zerstörte Selbstachtung. Religiöse Symbolik ist omnipräsent in dem gemessenen Drama, deren Charaktere Salomonowitz mit der gleichen konzentrierten Ruhe zeichnet wie Magdalena ihre Werke. Markante Porträts, erstarrt im Moment ihres überhöhten Leidens. Statt einer Handlung inszeniert sie einen Zustand, dessen Ausweglosigkeit für Publikum und Protagonisten gleichsam drückend wird. Die düstere Atmosphäre verdichtet sich, bis die vielen Facetten des Dunkel – der Seele, der endlosen Nächte, der Zukunft – auch den letzten Hoffnungsschimmer verschlingt.
Die mit einem Hauch Mystery und Noir verwobene Sinnsuche in einem Zwischenreich, wo Gott sich als leeres Symbol enthüllt und Menschen vergebens Befreiung in Ritualen suchen, ist zehrend, doch eindringlich dank der poetisch-pessimistischen Stimmung und dramaturgischen Konsequenz.
- Beitragsbild © Berlinale