„Es ist nicht dein Krieg“, hört die junge Kanadierin Chloé (Evelyn Brochu), die auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz in einer Frauenklinik täglich die Grenzkontrollen im Westjordanland passiert, von einer Freundin. Doch genau das ist der Gebietskonflikt von Anais Barbeau-Lavalette Kriegsdrama für die Protagonistin, die ihre psychische Fragilität bis zuletzt vor ihrem Umfeld und sich selbst verbirgt.
Bei den Telefonaten nach Hause mit ihrer Mutter findet die engagierte Hauptfigur keinen Halt. „Du redest nicht mir mir“, klagt Chloés Mutter via Skype, worauf die Tochter erwidert: „Ich habe nichts zu sagen.“ Die Worte scheinen ein unfreiwilliger Hinweis auf die Oberflächlichkeit des routinierten Dramas, das seine politische Aktualität nur als Mittel zur Steigerung von filmischem Prestige und publikumswirksamer Melodramatik betrachtet. Im palästinensischen Flüchtlingslager will Chloé der schwangeren Rand (Sivan Levy), deren Mann inhaftiert wurde und die im Abfall nach Brauchbarem sucht, auch privat beistehen. Rands Bruder Faysal (Jousef Sweid) indes sieht die Unparteilichkeit der Ärztin als Verrat. „Auf allen Seiten heißt auf keiner Seite“, sagt er Chloé, die vor der Ausweglosigkeit der Lage die Augen verschließt. Die reale Komplexität der Situation negiert auch die Regisseurin. Immer weiter flüchtet sie sich in tendenziöse Gegenüberstellungen wie die von seichter Popmusik aus einer israelischen Fernsehshow und dem bewegten Gesang palästinensischer Straßenmusikanten und sentimentale Allegorien. Doch die hohen Ambitionen, die Inch´ Allah im Bezug auf Kommerz und Reputation im provokanten Titel vor sich herträgt, enden spätestens bei der konventionellen Dramaturgie.
- OT: Inch‘ Allah
- Regie: Anaïs Barbeau-Lavalette
- Drehbuch: Anaïs Barbeau-Lavalette
- Produktionsland: Kanada, Frankreich
- Jahr: 2012
- Laufzeit: 102 min.
- Cast: Evelyne Brochu, Sabrina Ouazani, Sivan Levy, Yousef ‘Joe’ Sweid, Hammoudeh Alkarmi, Zorah Benali, Carlo Brandt, Marie-Therese Fortin, Ahmad Massad, Yoav Donat, James Garson Chick
- Beitragsbild © Berlinale