Gefahrenzone. Betreten verboten. So gebietet es ein Schild. Der Maschendrahtzaun dahinter ist neu, im Gegensatz zu dem tristen Betonbau, den er von der Außenwelt abgrenzt. Dort leben die jungen Protagonisten der kondensierten Reportage, mit der Anne Kodura bei Berlinale Generation ihr herausragendes Langfilmdebüt gibt.
Der 11-jährige Mustafa ist eine Art Anführer und Schnittfigur zwischen erster und zweiter Generation der Flüchtlinge, die auf dem zum Wohnheim umfunktionierten Kasernengelände untergebracht sind. Der abweisende Existenz- und Titelort steht sinnbildlich für den politischen Status der Familien, die nicht gewollt sind, sondern „geduldet“ solange in ihrer Heimat Krieg herrscht. Aber „Der Krieg geht immer weiter und weiter und weiter und weiter. Immer weiter“, berichtet Mustafas kleiner Bruder Mohammed, genannt Momo. Er war nie in Syrien, an das sich auch Mustafa nur schemenhaft erinnert. „Wir haben uns ein besseres Leben erhofft“, sagt die von müdem Zorn erfüllte Stimme einer Frau, die wie alle Erwachsenen außerhalb des Kamerafokus bleibt.
“Dieser Ort ist auch ein Gefängnis, dass nicht besser ist. Wir werden an Armut sterben und wenn nicht an Armut, an seelischem Ersticken.“ In der klaustrophobischen Enge der abgeriegelten Welt zeigen bleierne Grautöne die Kinder auf Streifzügen nach Pfandflaschen und Kupferschrott. Auf der Suche danach schlagen sie ausrangierte PCs und Handys tot und die Zeit, die im sozialen Schattenland in einer frustrierenden Endlosschleife verläuft. „Unsere Würde ist unser kostbarster Besitz“, verkündet ein syrischer Minister im Fernsehen. Alles könne man ihnen nehmen „Aber nicht unsere Würde.“ Das schaffte erst das prekäre Modell hiesiger Flüchtlingspolitik, dass sorgsam am sozialen und städtischen Rand versteckt liegt: Damit keiner das so mitbemerkt.
- OT: Ödland – Damit keiner das so mitbemerkt
- Regie: Anne Kodura
- Drehbuch: Anne Kodura
- Produktionsland: Deutschland
- Jahr: 2013
- Laufzeit: 79 min.
- Beitragsbild © Berlinale