Die zentrale Frage Mohamed Rashdas ambitionierten Spielfilm-Debüts ist nicht allein die nach der Schuld am Tod des Vaters der jungen Protagonisten. Der rebellische Hossam (Adham Shoukry) und sein 12-jähriger Bruder Maro (Ziad Islam) wollen den Verantwortlichen für den angeblichen fatalen Unfall finden. Doch die Verantwortung gegenüber Maro und seiner kranken Mutter zwingt Hossam, die titelgebende Abfindung anzunehmen. Jene besteht ausgerechnet in der Übernahme der Arbeitsstelle, die durch den Todesfall freigeworden ist.
Das Potenzial der auf wahren Ereignissen basierenden Story liegt in deren allegorischer Ebene. Die Fabrik, in der Hossam auf Drängen seiner Mutter (Hanadi Abdel Khalek) zu arbeiten beginnt, steht auch für ein unerbittliches Ausbeutungssystem. In dessen Getriebe sind die ungelernten Arbeitenden nur kleine Rädchen, die ausgetauscht werden, wenn sie nicht richtig spuren. Die Hinterbliebenen unter Druck zu setzen, hat die Fabrikleitung kaum nötig. Materielle Bedrängnis zwingt die Angehörigen, den perfiden Deal anzunehmen.
Als dramaturgisches Gegengewicht zu diesen sozialpolitischen Elementen steht der semi-dokumentarische Realismus der spröden Inszenierung. Der Regisseur betont, wie wichtig es ihm war, sein selbstverfasstes Drehbuch mit echten Fabrikangestellten zu besetzen und die Hauptrollen an Newcomer zu vergeben. Die harsche Atmosphäre und profitiert von der Authentizität dieser Darstellungen und des realistischen Settings. Das Schauspiel indes wirkt mitunter unsicher und forciert, genau wie der konventionelle Soundtrack und das unentschlossene Ende des kantigen Thrillers.
Welchen Preis haben Vergeltung und Verlust? Welchen Wert hat ein Menschenleben in einem skrupellosen System? Die Konflikte, mit denen die jungen Hauptfiguren Mohamed Rashda ungeschliffenen Langfilm-Debüts ringen, sind ebenso universell wie tiefgreifend. Mit größtmöglicher Nähe zu den wahren Begebenheiten, die seinen forschen Gewissenskrimi anregten, eröffnet der ägyptische Filmemacher einen schnörkellosen Blick auf die untere Arbeiterklasse seiner Heimatstadt Alexandria. Trotz formalistischer Schwächen ein vielversprechendes Erstlingswerk, das interessanter ist als ein glattes Mainstream-Produkt.
- OT: Al mosta’mera
- Director: Mohamed Rashda
- Screenplay: Mohamed Rashda
- Year: 2025
- Distribution | Production © MAD World