Das sei ein Film über das Baugerüst, verkündet eine fiktive Version des britischen Reporters Michael Watts (Michael Chernus) zu Beginn von Ido Fluks filmischer Event-Anekdote. Die ist ein euphorischer Mix aus biografischer Episode, Musikhistorie und Retro-Romanze. Ein cineastischer Claim to Fame von Personen, die niemand kennt oder kennen müsste, bloß weil sie irgendwann mal für einen kurzen Moment dem Ruhm ganz nah waren. Nicht dem eigenen Ruhm, sondern dem eines mehr oder weniger gefragten Künstlers.
Das ist in dem schwärmerischen Semi-Biopic Keith Jarrett (ein zuverlässig überzeugender John Magaro). Gefragt ist der für seine Improvisationen bekannte Komponist und Pianist im titelgebenden Handlungsjahr eher weniger, jedenfalls in den USA. In Europa immerhin füllt Jarrett immer noch Konzertsäle. Jedenfalls, wenn gute Veranstaltende dazu beiträgt. Diese Veranstaltenden sind also das Baugerüst, um das es hier eigentlich geht, und das Baugerüst heißt Vera Brandes (Mala Emde). Dass dem temperamentvollen Teenager jemand etwas abschlägt, scheint unvorstellbar.
Das erwidert jedenfalls Jazz-Musiker Ronnie Scott auf Brandes‘ Frage, warum er sie trotz fehlender Erfahrung anheuert. Regisseur und Drehbuchautor Fluk empfindet genauso scheinbar über Emde. Sie spielt Brandes mit sprühender Energie, bemüht, das Lolita-Klischee zu vermeiden, als das ihr Part angelegt ist. Ganz gelingt das nicht. Verbucht ihre Protagonistin einen Erfolg, scheint der Grund dafür fast immer ihr sexy Charme. Diese Altherren-Perspektive, die unbeabsichtigt die Brandes stockkonservativen Vaters (Ulrich Tukur) spiegelt, untergräbt das dramatische Potenzial.
Jenes wäre das Sichtbarmachen der Verdienste der unsichtbaren Unterstützenden außergewöhnlicher Ereignisse wie Jarretts Köln-Konzert. Das ist das ideelle Zentrum der glattgebügelten Hochglanz-Inszenierung, die ironischerweise gerade vor der Innovation, welche die Hauptfigur an Jarrett so bewundert, zurückschreckt. Statt gezielt narrative Klischees zu untergraben, bedient die glatte Inszenierung sie schlicht etwas unterhaltsamer. Exemplarisch zeigen dies die Composite Charaktere zweier Schulkamerad*innen. Die dienen lediglich als Dialog-Gegenüber, wenn mal keine Selbstgespräche geführt werden. Bloß das Publikum nicht überfordern.
Der bekannte Triumph, der die Protagonistin Ido Fluks auf realen Ereignissen basierenden Musikmärchens erwartet, nimmt der idealistischen Erfolgsstory auch den letzten Rest Spannung und Dynamik. Für die komplexen Vorgänge hinter den Kulissen eines spektakulären Auftritts vermittelt die oberflächliche Hommage genauso wenig ein Gefühl für die Kollektivarbeit, die ein solches Event erst ermöglicht. Der Charme des gefälligen Biopics liegt im engagierten Schauspiel von Emde und Magaro. Der Rest ist handwerklich tadelloses Hochglanz-Kino – das Gegenteil alternativer Ausnahmekunst.
- OT: Köln 75
- Director: Ido Fluk
- Screenplay: Ido Fluk
- Year: 2025
- Distribution | Production © Alamode