Ganz im Sinne der filmischen Botschaft, dass es nie zu spät für einen positiven Wandel sei und alle unabhängig von Möglichkeiten und Mitteln einen solchen erreichen könnten, gelingt Flore Vasseurs amateurhaftem Aktivismus-Aufruf kurz vor Ende doch noch eine prägnante Beobachtung: Die meisten jungen Menschen, die sich im Kampf um politische und ökologische Veränderung zusammenschließen, glaubten selbst nicht an den Erfolg ihrer Projekte und würden engagierten sich weniger für ideologische Ziele als um des Gemeinschaftsgefühls willen.
Statt an diesem Punkt anzusetzen und die individuelle Motivation sowie die sozialen und ökonomischen Voraussetzungen für erfolgreiche Agitation zu untersuchen, wiederholen die Regisseurin und ihre Co-Drehbuchautorin und Protagonistin Melati Wijsen ein in den letzten Jahren in zahlreichen deckungsgleichen Dokumentarfilmen vorgetragenes Mantra: Jede:r einzelne hat das Zeug zum erfolgreichen Aktivisten. Man muss nur wirklich wollen. Die damit einhergehende naive Nivellierung familiärer, finanzieller, gesundheitlicher und struktureller Ungleichheiten steht in auffälliger Nähe zum meritokratischen Mythos der Chancengleichheit.
So bewundernswert die Errungenschaften des halben Dutzend Generationsangehöriger, mit denen die 18-jährige Melati vor der Kamera spricht, sind, so simplifiziert und schematisch ist deren Darstellung. Konflikte und Kontrahenten, Hürden, Hindernisse oder Zweifel am eigenen Einsatz kommen nie zur Sprache. Diesen inhaltlichen Mangel an Transparenz und Konzeption spiegeln auf inszenatorischer Ebene repetitive Einstellungen und ausdrucksschwache Bildsprache. Eine dramaturgische Verbindung der Porträts fehlt hier genauso wie ein überzeugendes Fazit. Es überwiegt der zwiespältige Eindruck einer wohlmeinenden Werbekampagne.
Mehr als eine Idee, die man weitererzählt, braucht es nicht, um die Welt ein Stückchen besser zu machen. So realitätsfern und reduktiv, wie es die junge Aktivistin Melati Wijsen einer syrischen Schulklasse darstellt, erscheint erfolgreiches Engagement auch in Flore Vasseurs gleichförmiger Galerie jugendlicher Persönlichkeitsporträts. Die an Insta-Stories erinnernden Episoden vermitteln von den vorgestellten Nachwuchskämpfer:innen für politische, ökologische und soziale Veränderung ein denkbar flaches Bild, das die Herausforderungen, Voraussetzungen und Kompromisse eines solchen Einsatzes verschweigt.
- OT: Bigger Than Us
- Director: Flore Vasseur
- Screenplay: Melati Wijsen, Flore Vasseur
- Country: France
- Year: 2021
- Running Time: 95 min.
- Cast: Xiuhtezcatl Martinez, Melati Wijsen, Mary Finn, Rene Silva, Mohamad Al Jounde, Memory Banda
- Release date: 16.02.2023
- Image © Plaion Pictures